Niccolòs Aufstieg
Alaunminen in Phokäa.«
Claes, du Mistkerl, dachte Tobias. Und der gute Onkel Giammatteo mustert da drüben die Deckenbalken. Worauf habe ich mich eingelassen? Worauf habe ich mich ihrer Ansicht nach eingelassen? Was soll ich tun? Weitermachen, als sei nichts geschehen, »Jetzt verstehe ich, warum Ihr auf einen Kreuzzug hofft.«
»Oder auf eine andere Quelle für Alaun«, entgegnete Monna Laudomia. »Das ist Euer großer Traum, nicht wahr, Messer Giovanni? Daß Euer Patenonkel Euch das Geld gibt, um im Kirchenstaat nach Mineralien zu suchen. Bedenkt nur, was es hieße, wenn Alaun gefunden würde!«
Der Patensohn des Papstes stand auf. »Die Chancen stehen im Augenblick eher schlecht, fürchte ich. Monna Laudomia, Messer Agnolo, ich muß mich verabschieden.«
Das überraschte Tobias nicht. Er spielte seine Rolle bei der Verabschiedung, war aufgestanden und sah geistesabwesend zu, wie sein Gastgeber den Patensohn des Papstes hinausgeleitete. Sein Onkel, der auf eine Art lächelte, die Tobias ganz und gar nicht gefiel, nahm mit großem Getue wieder Platz, und nach einem Augenblick setzte sich auch Tobias. Claes, dem er einen vernichtenden Blick zuwarf, saß zwischen Marco Parenti und seiner Frau; sie sprachen italienisch miteinander.
Der Franzose, der am Kartenspiel teilgenommen hatte, saß auf einem Hocker neben Tobias’ Onkel, der sich jetzt vorbeugte. »Tobias, du bist Monsieur Gaston du Lyon noch nicht vorgestellt worden.«
»Ganz im Gegenteil«, widersprach dieser. »Monsieur Tobias und ich sind uns vor ein paar Tagen mitten im Schnee begegnet, und nun fragt er sich, warum ich in Gesellschaft von Engländern gereist bin.«
In diesem Augenblick wollte Tobias über die mögliche Antwort nicht einmal nachdenken. »Hoffentlich hat es Euch nicht geschadet, daß Ihr so durchnäßt wart«, sagte er nur.
»Nicht im mindesten. Ich bin nur aus Sicherheitsgründen mit Lord Worcester geritten. Er hatte wohl den Eindruck, ich sei ein loyaler Untertan König Karls von Frankreich und auf einer Pilgerreise nach Rom.«
»Wußte Claes, wer Ihr seid?«
»Dann wäre ich verärgert. Nein, er wußte es nicht. Er war, wenn auch nicht gerade reumütig, so doch zumindest höflich, als er es erfuhr.«
»Und wer seid Ihr?«
»Oh, ich bin Franzose, aber ich diene nicht dem französischen König, sondern seinem in der Verbannung lebenden Sohn, dem Dauphin. Ich bin Schatzmeister des Dauphin Ludwig und habe mich beurlauben lassen, um hier in Mailand im Februar am Turnier teilzunehmen. Ich lebe für Turniere, sie sind meine größte Freude.«
»Meine nicht. Es kostet mich zuviel Zeit, die Opfer zusammenzuflicken.« Er dachte an die Lawine. Und er dachte an Claes, der so hilfsbereit Pumpen reparierte und nebenbei den ganzen savoyardischen Klatsch aufschnappte. Was immer dieser naive Mann glaubte, Tobias war überzeugt, daß Claes genau gewußt hatte, wer Monsieur Gaston war. Und zwar schon vor der Lawine.
Tobias wurde unruhig, fühlte sich in eine Falle gelockt. Das Gespräch zwischen Claes, der hübschen jungen Frau und ihrem Mann war abgebrochen. Plötzlich stand Claes auf und rief Tobias zu sich. »Meester Tobias! Ihr kennt doch sicher Messer Marco und seine Frau. Und wißt Ihr, wer sie ist? Lorenzos Schwester!«
»Lorenzo?«
»Lorenzo Strozzi! Aus dem Haus Strozzi in Brügge. Sie hatten gerade erst einen Todesfall - ein Bruder -, und in meiner Tasche im Gasthof stecken Briefe von Lorenzo an Monna Caterina und ihre Mutter. Ich bringe sie ihr morgen.« Mit Rücksicht auf den Todesfall setzte Claes eine Miene herzlicher Anteilnahme auf und wandte sich an Caterina. »Lorenzo vermißt Euch sehr. Wir muntern ihn zwar auf, aber er muß wohl nach Italien zurück.«
»Das habe ich schon immer gesagt. Mein Bruder ist betrübt, Marco. Er sehnt sich danach, sein eigenes Geschäft zu haben.«
Claes wirkte interessiert, Messer Marco Parenti verärgert. Tobias, den es drängte zu gehen, hörte Caterina erneut sprechen, und dann murmelte Marco vertraulich: »Nicht hier. Nicht jetzt.«
Eine Hand ergriff Tobias’ Arm und zog ihn beiseite. Es war sein viel gerühmter Onkel. »Erkennst du jetzt, welchen Wert die richtigen Bekanntschaften haben?« flüsterte er ihm freundschaftlich ins Ohr. »Sie haben sich ihr eigenes Urteil über diesen jungen Mann gebildet. Ich finde ihn interessant. Gratulation zu deiner Patenschaft. Ich konnte Monna Laudomia versichern, daß du als mein Neffe der verläßlichste Mann bist, den sie finden
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