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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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auf und betrachtete einen nach dem anderen eingehend.
    Von den Kartenspielern war jener, der gesprochen hatte, zweifelsohne der Gastgeber. Dieser untersetzte blasse, imposante Mann mußte der Bankier Agnolo Acciajuoli sein - Enkel des Fürsten Donato von Athen und verwandt mit Nicholai, dem einbeinigen Griechen. Und die Frau neben ihm war wohl seine Schwester Laudomia, die Gattin des abwesenden Pierfrancesco. Vielleicht auch Halbschwester: eine hübsche Frau, weit jünger als Agnolo und nach Florentiner Mode gekleidet, deren Perlenschnüre im Haar und um den Ausschnitt des Kleides Hals und Busenansatz unterstrichen, die unverschleiert waren.
    Neben ihr saß jemand, der Tobias bekannt vorkam, aber weder Grieche noch Florentiner war. Ein schlanker Mann mit dunklem Teint, noch jung, unauffällig gekleidet, den er zuletzt ganz woanders gesehen hatte. Im Troß der Lancaster-Anhänger, jener Engländer, die zur Rettung von Bruder Gilles angehalten hatten und von Claes’ Lawine überrascht worden waren.
    Ein Engländer? Hier?
    Dann sagte der vermeintliche Engländer lächelnd etwas zu Claes in fließendem Französisch, das offenbar seine Muttersprache war, und Claes antwortete höflich in derselben Sprache, wobei er ihn mit »Monsieur Gaston« anredete. Die Frau lachte leise, legte eine Karte auf den Tisch und richtete ihrerseits das Wort an Claes, aber auf italienisch. Er antwortete sofort: nicht ganz korrekt, aber eindeutig mit Bologneser Akzent, den er wohl von Julius aufgeschnappt hatte.
    Sie trieben natürlich ein Spiel mit ihm. Tobias’ Onkel, einen Weinbecher in der Hand, flüsterte auf lateinisch: »Warum ihn nicht in dieser Sprache auf die Probe stellen? Oder auf griechisch?«
    Claes lächelte, die Augen auf die Karten gerichtet. »Maestro, verschont mich. Ich kann nicht auf Händen gehen und zugleich in einem Spiel mit solchen Gegnern bestehen.« Er legte eine Karte ab und warf Tobias einen Blick zu. Einen Blick voll verschwörerischer Freude. Argwöhnisch starrte Tobias ihn an.
    Verdammt, der Junge benahm sich tadellos. Ehrerbietig, mit einem Anflug von Witz und gutmütigem Humor brachte er die anderen zum Lachen. Neben ihnen wirkte seine Kleidung zwar wie die eines Dieners, doch sie gehörte zu dem Besten, was Marian de Charetty sich leisten konnte, und trotz der langen Reise war sein Wams noch straff genug, um seine kräftigen Färberschultern zur Geltung zu bringen. Statt der fleckigen Schürze trug er einen Gürtel um die Taille, wie die Soldaten, und der hohe Kragen betonte seinen wohlgeformten Hals. Gegen seinen seltsam starren Blick und das breite Lächeln ließ sich nichts machen, andererseits waren aber gerade diese von ganz eigener Wirkung. Das hatte Tobias bereits in Brügge bemerkt.
    Jetzt war Claes beim Kartenspiel wieder an der Reihe. Die Hände, die die Karten hielten, waren schwielig wie eh und je; wenigstens waren die Fingerspitzen nicht blau verfärbt. Tobias sah, wie sie über die aufgefächerten Karten wanderten und bei einer verharrten.
    Ein kurzes Schweigen trat ein, das Tobias in Unkenntnis des Spiels nicht zu deuten wußte. Laudomia sah Claes mit ihren klaren grauen Augen kühl an und sagte dann lächelnd: »Schon wieder!«
    »Arabisch«, entgegnete Claes. »Ihr hättet mich auffordern sollen, arabisch zu sprechen. Dann hättet Ihr alles zurückgewonnen.« Die Spielkarten waren handgemalt, in Rot, Blau und Gold, und vermutlich mehr wert als alles, was Claes am Leib trug, dachte Tobias.
    »Wartet mit dem Ablegen«, bat der Franzose. »Niccolò, mein Freund, welche Karten haben wir in der Hand?«
    Niccolò?
    Er sah Claes an, der rot geworden war und nun fragte: »Das wißt Ihr nicht? Monsieur, dann verliert Ihr sicher recht häufig.«
    In Agnolo kam Bewegung. Lächelnd machte er Giovanni auf sich aufmerksam, der zu ihm kam und sich hinter ihn stellte. »Sagt mir doch, junger Freund«, forderte er Claes auf, »welche Karten halte ich in der Hand?«
    »Schlechte, Monsieur«, erklärte Claes arglos. »Ihr habt mit einer Neun begonnen und sie nie abgelegt. Dann habt Ihr eine Drei und eine Königin aufgenommen und behalten, lauter bastoni. Später …«
    Er nannte eine nach der anderen alle Karten, die Agnolo in der Hand hielt; und als man ihn darum bat, auch die der anderen. Und jedesmal beugte sich Giovanni vor und überprüfte sie. Es stimmte.
    Claes wirkte erleichtert, aber auch verlegen. »Das habe ich aus der Färberei. All die langen Listen mit Rezepturen, das ist gut fürs Gedächtnis.

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