Niceville
wollten oder nicht.
Vielleicht war Charlie Danziger bloß ein alter, misstrauischer
Knacker.
Scheiß
drauf , dachte Danziger.
Er
ist es.
Danziger legte das Handy beiseite, gähnte und reckte sich. Er sah
auf die Uhr an der Wand und dann zu Coker und Twyla, die beide auf dem Sofa
eingeschlafen waren. Twyla hatte sich wie eine große braune Katze an Coker
geschmiegt, der den Kopf mit dem silbergrauen Haar in den Nacken gelegt hatte.
Sein Mund stand weit offen.
Es war kein formeller Beschluss gefasst worden, aber im Augenblick
hatten weder Coker noch Danziger den Nerv, Twyla auszuknipsen – also sah es so
aus, als hätten sie eine neue Partnerin.
Sie würde das wahrscheinlich ganz gut hinkriegen.
Die Art, wie sie die Nummer mit Donny Falcone durchgezogen hatte,
ließ auf eine gewisse Kaltblütigkeit und kriminelle Energie schließen.
Und sie wusste, dass sie es mit Leuten zu tun hatte, die man besser
nicht aufs Kreuz legen sollte, jedenfalls nicht im metaphorischen Sinn.
Herrgott,
sieh dir Coker an.
Wie
alt ist er, verdammt?
Coker war zweiundfünfzig, fast auf den Monat genauso alt wie
Danziger, aber so, wie er dalag, sah er aus wie achtzig. Er schnarchte noch
nicht, aber Danziger wusste, dass er jeden Augenblick damit anfangen würde. Das
wollte man sich lieber nicht anhören.
Danziger breitete eine Decke über die beiden und schaltete den
Fernseher aus. Anscheinend war dieser Junge, dieser Rainey Teague, aus dem Koma
erwacht und brabbelte irgendwas von einem Abel – es klang nach biblischem Mist.
Aber wie auch immer: Schön für den Jungen – herzlich willkommen in der
Wirklichkeit, du armer kleiner Scheißer. Und dann gab es eine Zusammenfassung
des Berichts über die Geiselnahme in der Saint Innocent Orthodox, mit einer
langen Einstellung, in der man Coker, Mavis Crossfire, Jimmy Candles und
Charlie Danziger sah, die an einem Streifenwagen standen und herzlich lachten.
Nichts Neues von den Polizistenmorden vom Freitag. Die
Ermittlungen dauern an , hieß es. Boonie Hackendorff und der Typ
von der State Police, Marty Coors, hatten eine Pressekonferenz gegeben. Boonie
hatte mit seinem hübschen blauen Anzug und der schief sitzenden Krawatte
ausgesehen wie ein Türsteher und gesagt, man verfolge wichtige Hinweise und werde sehr bald mehrere Festnahmen bekanntgeben. Coker
röchelte, schluckte und begann zu schnarchen.
O
Gott, jetzt geht’s los . Es klang, als würde jemand einen
Gummistiefel aus dem Schlamm ziehen.
Wahrscheinlich Polypen.
Tja, wie Dandy Don Meredith nach den Footballspielen am Montag zu
sagen pflegte: Die
Party ist vorbei – der Letzte macht das Licht aus.
Danziger nahm Jacke, Stiefel und die letzte Flasche Weißwein und
schlich auf Zehenspitzen zur Haustür hinaus. Leise zog er sie ins Schloss. Die
Nacht war dunkel, es roch nach frisch gemähtem Rasen, Blumen und Grillrauch.
Die Sterne waren zu sehen.
Der lange Tag war an seinem Ende angelangt.
Und der morgige versprach überaus interessant zu werden. Wie es
aussah, würde Charlie Danziger morgen Abend entweder reich oder tot sein.
Vielleicht würden Boonie Hackendorff und seine Jungs vorbeischauen. Vielleicht
würde Coker früh erwachen und zu dem Schluss kommen, es sei an der Zeit für ein
paar präventive Sicherheitsvorkehrungen, die diesmal auch Charlie Danziger
beträfen.
Er selbst wollte jedenfalls vor Sonnenaufgang wach sein, bereit für
alles, was kam. Das eine wusste er: Jeder, der was von ihm wollte, würde mit
seinem Blut dafür bezahlen müssen.
Es war die Art von »Auf Leben und Tod«-Drama, die den Gang eines
einsamen alten Mannes ein wenig federnder werden ließ und sein Essen mit Chili
würzte. Vielleicht war es sogar der eigentliche Grund, warum er diesen Überfall
auf die First Third geplant hatte. Eines war jedenfalls sicher: Er langweilte
sich kein bisschen.
Also alles in allem zwei Tage Arbeit. Besonderen Gefallen fand er
daran, sich Byron Deitz’ Gesicht vorzustellen, wenn er die SMS las, die ihm verriet, wo diese Glitzerscheibe war.
Deitz hatte ein Gesicht, bei dem man sich gut vorstellen konnte, wie
es sich verzerrte, wie es anschwoll und rot anlief, wenn er las, dass das
verdammte Ding den ganzen Nachmittag in seinem Humvee gelegen hatte.
Er ging auf Zehenspitzen die halbe Einfahrt hinunter, setzte sich
auf die Gartenmauer, um seine Stiefel, seine blauen Superglücksstiefel,
anzuziehen, und stand wieder auf. Verdammt, war er müde. Er wurde langsam zu
alt für Lungensteckschüsse und all diesen
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