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Niceville

Niceville

Titel: Niceville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
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war entnervend, und obwohl er Ohrenschützer getragen
hatte, hörte er alles nur undeutlich und gedämpft. Seine rechte Schulter
schmerzte vom Rückstoß der Barrett.
    Jenseits der Straße war ein kleiner Waldbrand ausgebrochen – eine
weiße Rauchsäule stieg in den Himmel.
    Der Rauch der brennenden Pappeln roch gut, er war würzig und scharf.
Erinnerte ihn an Weihnachten, damals in Billings. Schöne Zeiten. Coker atmete
ihn ein paarmal ein und fühlte, wie die Welt langsam wieder in den
Normalzustand zurückkehrte.
    Er schaltete den Polizeifunk ein und hörte eine Weile zu. Was er
hörte, war Panik. Niemand wusste, was zum Teufel passiert war, aber jeder
brüllte allen anderen zu, was jetzt zu tun sei.
    Er nahm an, dass er genug Zeit hatte, die Spuren zu verwischen.
    Er wechselte das Magazin, lud durch, legte den Sicherheitsbügel um
und hängte sich das zwölf Kilo schwere Gewehr am Trageriemen so um, dass er es,
wenn es sein musste, jederzeit in Anschlag bringen konnte.
    Dann zog er einen Colt Python hervor, ging auf der Straße zu den
Streifenwagen und feuerte in jeden intakten Schädel, den er fand, eine .357er
Weichkernkugel, lud nach und erledigte den Rest von dem, was zu erledigen war.
    Unter einigen Schwierigkeiten – wegen der Latexhandschuhe und den
Blutspritzern und Gewebestücken, die auf allen Oberflächen der Innenräume
klebten – entfernte er die Festplatten der Überwachungskameras. Dann trat er
rückwärts von den Wagen zurück, um zu sehen, ob seine Stiefel Blutspuren
hinterließen.
    Er ging zurück zu seinem ursprünglichen Standort, sammelte die fünf
Patronenhülsen auf, verwischte die Fußspuren und sah sich noch einmal prüfend
um, bevor er über die Hügelkuppe zu seinem Wagen ging, einem großen,
schwarz-braunen Crown Vic mit der Aufschrift des County-Sheriffs.
    Er öffnete den Kofferraum, zerlegte die Barrett, zog das heiße Rohr
aus dem Verschluss und wischte alles mit einem silikongetränkten Tuch ab. Dann
legte er die Teile in die Aussparungen des Koffers.
    Er zog den blutverschmierten Overall aus, stopfte ihn in eine braune
Papiertüte, schloss den Kofferraum und überprüfte im Außenspiegel die Uniform:
Alles in allem sah er ziemlich gut aus. Dann setzte er sich ans Steuer und fuhr
langsam davon. Im Rückspiegel erblickte er die dünne Rauchfahne, die sich über
den Himmel zog. Jetzt, da die Aufregung vorüber war, kehrten die Krähen zurück – die hungrigeren ließen sich auf den Dächern der Streifenwagen nieder,
unwiderstehlich angezogen vom Anblick frischen Blutes.
    Die Sonne ging unter und warf lange blaue Schatten über den Asphalt.
Als er durch ein Pappelwäldchen fuhr, flackerte honiggelbes Licht
stroboskopartig auf der Seite seines Gesichts. Im Polizeifunk ging es noch
immer hektisch hin und her, doch er hatte den Eindruck, dass irgendjemand in
der Zentrale – wahrscheinlich Mickey Hancock – die Sache endlich in den Griff
bekam. Bald würde man ihn rufen, ihn und alle anderen Bullen in der westlichen
Hemisphäre.
    Coker seufzte und betrachtete zufrieden die Welt, die an ihm
vorbeizog. Er lächelte, setzte die Ray-Ban auf, zündete sich eine Zigarette an
und inhalierte tief. Seine Schicht begann gerade erst, und es sah nach einer
hektischen Nacht aus, doch die Wärme und der herrliche Sonnenuntergang
trösteten ihn. Es versprach ein schöner Abend zu werden.

Tony Bocks Nachmittag ist enttäuschend
    »Mögen alle Anwesenden sich erheben!« Und so erhoben sie
sich, als Richter Theodore W. Monroe in den Gerichtssaal zurückkehrte. Seine
schwarze Robe umwallte ihn wie die Schwingen des Schicksals. Das
Gerichtsgebäude war ursprünglich eine katholische Kirche gewesen, und so gab es
in diesem Saal noch immer zehn Buntglasfenster auf jeder Seite, weiß
gestrichene alte Holzwände und eine Reihe von Ventilatoren unter dem
Deckengewölbe aus Zedernholz, die – wenn auch weitgehend erfolglos – die
feuchte Luft in Bewegung halten sollten, die nach all den Jahren noch immer
leicht nach Weihrauch roch.
    Richter Monroe, ein alter Kämpe des Justizwesens mit kleinen
schwarzen Augen, einem schmalen Lächeln und einem Profil wie ein Küchenbeil,
setzte sich, wo einst der Altar gewesen war und nun eine hohe, mit
Schnitzereien verzierte Richterempore stand. Auf ihrer Front war das Ölgemälde
eines Kavalleriegefechts im Bürgerkrieg – die Schlacht bei Brandy Station – und
dahinter eine große, aber verblasste amerikanische Fahne. Es waren nur
achtundvierzig Sterne darauf,

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