Niceville
vorgehen. Sie
waren alle so verdammt sicher, die besseren Menschen zu sein – vielleicht war
das ihre Achillesferse. Der Kern seiner Idee war, sie indirekt zu bekämpfen.
Die Mittel standen ihm zur Verfügung: Computer und Internet.
Und so stürzte er sich nicht wie sonst hektisch in die Welt der
Internetpornos, sondern öffnete ein kühles Stella, setzte sich an den Computer
und begann zu schreiben.
Es waren nur ein paar Buchstaben.
Es war ein Anfang.
Das Unschuldsprojekt
Er lehnte sich zurück und starrte auf die Worte, die in
der Mitte eines leuchtend weißen Feldes schwebten und so viele Möglichkeiten
bargen. Er sammelte sich und spürte eine Wärme im Bauch.
Unschuld war genau das richtige Wort.
Bocks vergleichsweise spärliche, aber eindrückliche Erfahrungen
hatten ihn gelehrt, dass niemand unschuldig war. Ganz gewiss nicht die
Quadratschlampe, und diese kleine Zicke von einer Tochter – wahrscheinlich war
es nicht mal seine Tochter – war nicht viel besser.
Und Miss Barrow, seine lesbische Anwältin?
Auf keinen Fall!
Wahrscheinlich hatte sie seinen Fall verloren, weil sie sich hatte
schmieren lassen. Und in der Stadt machten alle möglichen pikanten Gerüchte
über ihr Privatleben die Runde.
Und was war mit Richter Monroe?
Alle dachten, er sei eine Zierde seines Berufsstandes. Aber niemand
war eine Zierde, jedenfalls nicht, wenn man genau genug hinsah. Jeder hatte
irgendwo eine dunkle Stelle.
Und diese Kavanaugh-Schnepfe?
Das war eine Frau, die er wirklich fertigmachen wollte, noch eine
Quadratschlampe, der er es richtig zeigen wollte. Sie würde es bitter bereuen, sich
mit Tony Bock angelegt zu haben. Er wusste nicht viel über sie. Ihr Mann hieß
Nick, war irgendeine Art von Kriminalpolizist und stand in dem Ruf, ein harter
Bursche zu sein.
Er gab bei Google ihren Namen ein – Kate Kavanaugh, geb. Walker –
und fand einen Haufen Links zu juristischen Datenbanken und Websites über
Niceville, außerdem zahlreiche Artikel in Fachzeitschriften sowie
Urteilsbegründungen von Berufungsverfahren. Ein fleißiges Bienchen, die Kleine.
Es gab einen Link zu ihrem Vater Dillon Walker, der ein
Star-Professor am VMI war, und dann noch eine ganze
Menge idiotischen Mist darüber, dass sich die Geschichte der Familie Walker
weit zurückverfolgen ließ, bis zu dem, was die rassistischen Hinterwäldler hier
noch immer den »Sezessionskrieg« nannten – damals waren die Walkers Sklaven
haltende, mit Baumwolle handelnde Schleimscheißer gewesen –, und dann noch mehr
Mist über die »vier Gründerfamilien«: die Cottons, die Teagues, die Haggards
und die Walkers. Nichts, wo sich irgendetwas fand, das er gegen sie verwenden
könnte. Aber niemand war unschuldig, nicht in dieser wohlanständigen Stadt.
Verdammt, sogar der Name der Stadt war eine Lüge.
Niceville .
Und was war mit dem Mann, dem sie das Bett warmhielt?
Mit ihrem Mann, dem Bullen? Nick Kavanaugh?
Bock gab den Namen ein und fand Links zu Zeitungsartikeln über seine
Dienstzeit bei den Special Forces: Tapferkeitsmedaille, Auszeichnungen, ein
paar Verwundetenabzeichen. Interessant, dass er, nach so viel Ruhm und Ehre,
derart schnell wieder aus der Armee ausgeschieden war. Der Typ war erst
zweiunddreißig, und es gab schließlich noch jede Menge Krieg für einen, der auf
Orden so geil war wie dieses Arschloch. Warum war er ausgeschieden?
Bock versuchte es mit www.army-records.com , aber der Zugang zu
Personendaten wurde ihm verweigert. Nach ein paar Umwegen gelangte er auf eine
Antikriegs-Website mit eingeschränktem Zugriff. Sie hieß www.fukthawarpigs.org ,
und jetzt wurde es wirklich interessant.
Unter all der Sechziger-Jahre-Rhetorik und den antiamerikanischen Parolen
fand er einen Hinweis auf einen Zwischenfall im Jemen, über den jemand von
»Ärzte ohne Grenzen« berichtet hatte. Es ging dabei um eine
Special-Forces-Einheit, die von einem Typen namens Cavanah angeführt worden
war. Cavanah? Der Vorname war abgekürzt: N. Cavanah. Die Einheit war in der
Nähe eines Ortes namens Wadi Doan zum Einsatz gekommen, und dabei waren mehrere
Frauen getötet worden. Und warum?
Schwer zu sagen.
Es hatte irgendetwas damit zu tun, dass Selbstmordattentäter Burkas
anlegten und sich als Frauen tarnten, um möglichst nah an die Soldaten
heranzukommen. Es gab eine Videodatei. Bock klickte sie an und sah einen
körnigen, siebenundvierzig Sekunden dauernden Digitalfilm. Er zeigte drei
schwarz gekleidete Frauen, die hintereinander durch
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