Niceville
beschwerlichen
gesellschaftlichen Aufstieg in Niceville war.
In einigen alten Häusern, deren ebenfalls alte Besitzer bereit
waren, für Geld, Gesellschaft oder das Gefühl der Sicherheit einen Fremden
aufzunehmen, waren alleinstehende Männer eingezogen, die ein Zimmer im Keller
oder ein Apartment über der Garage bewohnten. Gewöhnlich war es jemand, der neu
in der Stadt war und einen Job suchte, oder ein Geschäftsmann, der hierher
versetzt worden war und in Ruhe nach einem Haus für sich und seine Familie
Ausschau halten wollte.
In der Lanai Lane 3156 war der Mieter der Wohnung über der Garage,
die er vor acht Monaten bezogen hatte, nachdem er gewaltsam aus seinem Haus am
Saddle Creek Drive entfernt worden war, ein frisch geschiedener Mann namens
Tony Bock.
An diesem warmen Freitagnachmittag parkte ein missvergnügter Tony
Bock seinen limonengrünen Toyota Camry auf dem winzigen Stellplatz, den ihm Mrs
Millie Kinnear, seine Vermieterin, zugewiesen hatte.
Bock winkte ihr sardonisch zu, als sie den Vorhang ein wenig
beiseiteschob, um ihm einen finsteren Blick zuzuwerfen – sie verstanden sich
nicht besonders gut –, und ging dann am Haus vorbei zur Rückseite, wo er das
rostige Maschendrahttor aufstieß und vorsichtig über die Hundehaufen stieg, die
wahllos über Mrs Kinnears verwahrlosten Garten verteilt waren.
Langsam und mit einem bitteren Brennen im Magen stieg er die
knarzende Treppe zu seiner Dreizimmerwohnung über Mrs Kinnears Garage hinauf.
Schatz,
ich bin wieder da-ha , sagte er zu sich selbst, als er die Tür
öffnete. Das hatte er immer zu der Quadratschlampe gesagt, wenn er von der
Arbeit nach Hause gekommen war. Einst hatte sie dann gelächelt, doch im Lauf
der Zeit hatte dieser Satz nur noch bedeutet, dass sie jetzt wieder Prügel
beziehen würde, und sie hatte aufgehört zu lächeln. Er hatte ihn trotzdem
gesagt.
So war er eben.
In der Wohnung roch es nach abgestandenem Kaffee und dem
chinesischen Essen, das er sich zum Frühstück hatte kommen lassen, doch davon
abgesehen war sie sehr sauber und ordentlich, wenn auch ziemlich beengt. Alles
war vollgestellt mit dem Zeug, das die Quadratschlampe ihn hatte mitnehmen lassen – hauptsächlich die Sachen, die in seinem privaten Herrenzimmer im Keller des
Hauses am Saddle Creek Drive gestanden hatten.
Unter den wachsamen Blicken ein paar muskelbepackter Bullen hatte
man ihm gestattet mitzunehmen: ein großes schwarzes Ledersofa mit einer dazu passenden Ottomane,
einen nagelneuen 42-Zoll-Flachbildfernseher von Sony auf einem Sideboard mit
Klavierlackfinish, einen Bar-Kühlschrank, wohlbestückt mit Stella Artois, einen
schmalen Tisch, der unter dem Fenster stand, einen PC mit
19-Zoll- LCD -Monitor,
ein Amateurfunkgerät, ein CB -Funkgerät und eine
Satellitenschüssel. Inzwischen besaß Bock noch einen zweiten Computer – einen
Laptop, der eigentlich den Stadtwerken gehörte, über den er aber auch in seiner
Freizeit verfügen konnte – sowie eine DSL -Verbindung,
die er nach einer langen, ärgerlichen und erfolglosen Diskussion mit Mrs
Kinnear, die noch geiziger war als all ihre schottischen Vorfahren
zusammengenommen, auf eigene Kosten hatte installieren lassen.
Es gab eine kleine Küchenzeile, ein fensterloses Schlafzimmer, so
winzig, dass sein Einzelbett knapp hineinpasste, ein Bad, kaum größer als ein
Baustellenklo, und eine Veranda mit Ausblick auf Mrs Kinnears grässlichen
Garten, wo er, sollte ihm danach sein, an lauen Sommerabenden sitzen und, ein
kaltes Stella in der Hand, Mrs Kinnears dementem Köter zusehen konnte, wie er –
ein offenbar unermüdlicher Kotproduzent – abwechselnd den Rasen vollschiss und
schrill kläffte.
Doch heute Abend tat Bock das nicht, denn auf dem Heimweg vom
Gericht – Richter Theodore W. Monroes harsche Worte klangen ihm noch in den
Ohren – hatte er eine Art dunkler Offenbarung gehabt.
Bock war ein stolzer Mensch und nicht gänzlich ungebildet. Immerhin
hatte er am East-Central-Mid-State-Poly studiert und besaß einen Abschluss in
Öko-Energiemanagement und Informatik. Darum hatte ihn die Tatsache, dass
Richter Monroe ihn als Menschen rundheraus ablehnte, tief verletzt. Es war eine
schwärende Wunde, die mit der Flamme der ausgleichenden Gerechtigkeit
ausgebrannt werden musste.
Die Frage war, wie? Vorhin, im Wagen, hatten sich die ersten Ansätze
einer Antwort auf diese Frage offenbart. Ein Einzelner, der sich gegen ein
Unterdrückungssystem auflehnte, musste mit List und Raffinesse
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