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Niceville

Niceville

Titel: Niceville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
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Macht über diese Mädchen: Er sah, was noch kein
Mann gesehen hatte, er beobachtete sie bei all ihren weiblichen Ritualen.
    Wie alle Kicks ließ auch dieser irgendwann nach. Bock postete die
Fotos anonym auf einer Website für Voyeure und löschte die Dateien anschließend
von seiner Festplatte.
    Wie hieß der Typ?
    Man konnte nicht das Leben eines Mannes ruinieren, dessen Namen man
gar nicht kannte.
    Der stand natürlich in Bocks Arbeitsberichten, gespeichert auf dem
Laptop der Stadtwerke. Es war einer seiner ersten Aufträge gewesen, vor fünf,
sechs Jahren.
    Sehr
riskant, auf diese Dateien zuzugreifen , dachte Bock und
versuchte, sich zu beruhigen.
    Denk
an die Regeln.
    Keine
Verbindung.
    Aber wenn er nur ein Element benutzte, konnte es keine
Verbindung geben, oder? Man konnte keine Linie von einem Punkt zu einem
Nicht-Punkt ziehen.
    Nein.
    Kein Bankdirektor.
    Der Typ war kein Bankdirektor.
    Wie nannte man einen, der Rechnungen prüfte?
    Einen Rechnungsprüfer.
    Es tauchte aus den hinteren Regionen seines Kopfes auf. Die Truhe
auf dem Dachboden war voller alter Kleider gewesen, voller seltsamer alter Kleider, aus Leder und mit Federn und Glasperlen …
    Blumen …
    Schachteln …
    Winzige Täschchen aus …
    Es war alles da drinnen.
    Denk nach, Bock, denk nach.
    Visualisiere es.
    Stroh?
    Weidenruten?
    Geflochten?
    Und dann sprang es ihn an.
    Littlebasket.
    Morgan Littlebasket.
    Er gab den Namen in die Suchmaschine ein, und da war er: ein
lederhäutiger alter Knacker mit zerfurchtem Gesicht, der wie ein
Indianerpräsident vom Banner einer Website namens The Cherokee Nation Trust lächelte. Der Sitz dieser Organisation befand sich offenbar in Sallytown.
Weiteres Nachforschen förderte ein fünf Monate altes Zeitungsfoto zutage, auf
dem der Kerl mit zwei ziemlich scharf aussehenden Töchtern an einem Grab stand.
Die Bildunterschrift lautete:
    »Cherokeehäuptling Morgan Littlebasket mit seinen Töchtern Twyla und
Bluebell am Grab seiner Frau Lucy Bluebell Littlebasket (geb. Tallpony)«
    Bock spürte beim Anblick der beiden hübschen jungen Frauen in
Trauerkleidung und mit frischen Blumensträußen in den Händen seinen Blutdruck
steigen. Sie standen so feierlich, so tapfer und traurig am Grab ihrer Mutter,
und das alles sehende Auge von Tony Bock ruhte auf ihnen und wusste so ziemlich
alles, was man wissen konnte über das, was unter diesen engen schwarzen
Kleidern verborgen war.
    Aber die Fotos.
    Der Beweis .
    Er hatte seine eigenen Dateien gelöscht.
    Sie waren unwiederbringlich verschwunden.
    Und er hatte keinen Grund zu der Annahme, dass dieser alte
Perversling seinen Festplattenrekorder noch immer in der Truhe verwahrte.
Außerdem hätte Bock sich unter irgendeinem Vorwand Zugang zu dem Haus
verschaffen müssen, was überaus dämlich gewesen wäre.
    Aber Bock brauchte diese Fotos.
    Ob sie wohl noch auf dieser Voyeur-Website waren? Vielleicht in
einer Art Kongressbibliothek für Perverslinge?
    Möglicherweise.
    Seine Finger schwebten über der Tastatur. Er zögerte wie ein Junge,
der im Begriff ist, eine Praline aus einer Schachtel auszuwählen. Sein Mund
stand offen, seine wulstigen Lippen glänzten. Ihm war gar nicht bewusst, dass
er im Grunde dabei war, eine Art Selbstmord zu begehen.

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    Nick nahm den zivilen dunkelblauen Crown Vic. Er ließ Beau
Norlett fahren, denn wenn er nichts zu tun hatte, neigte Beau zum Quatschen,
und Nick wollte ungestört darüber nachdenken können, warum Dale persönlich
seinen Antrag auf Reaktivierung abgelehnt hatte. Es war ein Nein von einem
guten Freund und daher besonders schmerzhaft.
    Dale Sievewright und Nick Kavanaugh kannten sich schon lange. Sie
waren schon vor der Sache im Jemen Freunde gewesen, schon in Benning und Fort
Campbell. Dass Dale Nicks Bitte ausgeschlagen hatte, und das zu einer Zeit, da
die Army ausblutete und sogar die Schlappschwänze von der Versorgungstruppe und
die Möchtegern-Wochenendsoldaten mehrere Dienstzeiten hintereinander leisten
konnten, traf ihn sehr.
    Er tauchte aus seinen komplizierten Gedanken auf und merkte, dass
Beau vor sich hin summte, irgendein Gospelstück – er und May waren in einer
Pfingstgemeinde. Sie fuhren auf der Lower Powder Springs quer durch die Stadt
zum Büro der Bewährungshelferin in Tin Town, und ringsum ging das Leben in
Niceville seinen gewohnten Gang. Eichen, Fichten und Buchen reckten die mit
Spanischem Moos behangenen Äste über das Gewirr der Straßen, auf denen
lebhafter

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