Niceville
seufzte sie theatralisch, stand auf und trottete davon – sie hatte
nicht nur wirklich schöne Beine, sondern auch prachtvolle Hüften. Sie ging
durch den schmalen, zwischen Wänden aus Gipsplatten hindurchführenden Korridor
zu der Tür, hinter der Lacy Steinert einer Crackhure mit Lungenkrebs zuhörte,
die ihr erzählte, es sei nicht ihre Schuld, dass sie eine Crackhure mit
Lungenkrebs sei. Gwen warf Nick, der ihr lächelnd zuwinkte, einen finsteren
Blick zu, klopfte an die Wand und öffnete die Tür.
Die Crackhure – fünfzig Kilometer schlechte Wegstrecke namens
LaReena Dawntay – wischte sich gerade mit einem zusammengeknüllten
Papiertaschentuch über die rotgeränderten Augen und die triefende Nase. Ihre
kaffeebraune Haut war grob und großporig, und ihre Beine sahen aus wie
schorfige Zweige.
Sie starrte Gwen empört an und schluchzte dann weiter. Gwen sah Lacy
an, die diesen Blick mit offener, freundlicher Miene erwiderte und LaReena
dabei eine Schachtel Papiertücher reichte.
»Detective Kavanaugh für Sie.«
Sie sagte es mit derselben Intonation wie: »Die Toiletten sind schon
wieder verstopft.«
Lacy Steinert war eine gedrungene Schwarze mittleren Alters mit
jadegrünen chinesischen Augen und ausgeprägten Cherokee-Wangenknochen. Sie war
bei der Highway Patrol gewesen, bis die achtjährige Tochter eines Mannes, den
sie für eine Alkoholkontrolle angehalten hatte, sie in die Hüfte geschossen
hatte. Die Kugel hatte ihren Ischiasnerv gestreift und ihr ein Leben voller
chronischer starker Schmerzen beschert.
Da sie keinen Streifendienst mehr machen konnte, wechselte sie als
Verbindungsfrau zur Zentrale nach Cap City, wo sie sich zu Tode langweilte.
Also ließ sie sich ins Bewährungshelferbüro von Cullen and Belfair County
versetzen, und nun saß sie in Tin Town und befasste sich mit Crackhuren, die
LaReena hießen, und vierzehnjährigen Bandenmitgliedern mit der Lebenserwartung – wenn auch nicht der Intelligenz – einer Fruchtfliege.
»Danke, Gwen. Könnten Sie mir einen Gefallen tun?«
»Gern, Miss Steinert.«
»Könnten Sie für Miss Dawntay ein Taxi rufen? Sie muss für eine
Infusion ins Lady Grace. Geben Sie ihr einen Gutschein aus der Schachtel und
sagen Sie dem Fahrer, er soll sie zur Aufnahme begleiten. Sie werden doch
hineingehen, LaReena? Sie dürfen diese Behandlung nicht aussetzen. Sie hilft
Ihnen, ein normales Leben zu führen.«
Aber
sicher.
LaReena Dawntay nickte und starrte auf ihre Hände. Lacy betrachtete
sie – in
sechs Monaten ist sie tot – und sah dann wieder zu Gwen.
»Und könnten Sie zu Porn ’R’ Us gehen und Mr Featherlight
herüberbitten?«
Gwen Schwinner wäre niemals auf den Gedanken gekommen, diesen Laden
ohne einen angezündeten Molotowcocktail zu betreten, doch sie nickte nur und
bot LaReena ihre Hand.
Lacy begleitete die beiden bis zur Tür, blieb im Korridor stehen und
sah ihnen nach. Die Frauen ignorierten Nick, der am Tresen lehnte und Lacy
zugrinste.
»Nick. Komm rein.«
Er stieß sich vom Tresen ab und ging durch den Korridor, den er,
obwohl er nicht besonders groß war, fast auszufüllen schien. Er trug ein
gebügeltes schwarzes Hemd mit geöffnetem Kragenknopf, so dass man ein
gebräuntes Stück Hals sehen konnte, eine gut geschnittene anthrazitgraue Hose
und schmale schwarze Schuhe mit Lochmuster. Das golden schimmernde CID -Abzeichen
hing an seinem Gürtel, und in dem Holster an der rechten Hüfte steckte ein
großer Colt Python aus rostfreiem Stahl. Er sah … gut aus, fand sie. Sie reckte
sich, um sich auf die Wangen küssen zu lassen, und roch seinen Duft, der sie an
tropische Strände und Drinks mit kleinen Papierschirmen erinnerte.
Seine Hände auf ihren Schultern waren stark und warm, und dass er
jetzt so nah vor ihr stand, würde am Abend vermutlich das Beste sein, was ihr
an diesem Tag passiert war.
Sie gingen in ihr Büro, einen karg ausgestatteten Raum, dessen
einziger Schmuck ein Poster war, auf dem ein Segelboot unter weißen Wölkchen
durch eine blaue Lagune auf eine mit Palmen bewachsene Insel zuglitt.
»Danke, dass du gekommen bist, Nick.«
»Es ist immer ein Vergnügen, dich zu sehen, Lacy.«
»Geht mir umgekehrt genauso. Ich war überrascht, als Kate sagte, du
hättest Zeit. Ich dachte, du steckst bis zum Hals in den Ermittlungen über den
Überfall in Gracie.«
»Nein. Die hat das FBI in Cap City übernommen. Zu diesem
Ball sind wir nicht eingeladen.«
»Boonie Hackendorff?«
»Boonie ist ein guter Polizist, Lacy,
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