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Niceville

Niceville

Titel: Niceville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
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nach Hause gebracht – der hatte
getönte Scheiben. Kein Taxi, nie. Wir haben uns unterhalten, über das Leben,
die Arbeit, über alles Mögliche, und das klingt jetzt komisch, aber für ihn
war’s in Ordnung und für mich auch. Sie haben mich bar bezahlt und waren
höflich.«
    »Wie haben Sie Sylvia überhaupt kennengelernt?«
    »Im Pavillon. Vor ein paar Jahren. Sie war mit Freundinnen da. Eine
von denen kannte mich und hat mich an den Tisch gewunken. Wir haben was
getrunken. Sie war mir gleich sympathisch. Ich hab gemerkt, dass sie Schmerzen
hatte.«
    »Wie?«
    Featherlight lächelte zögernd.
    »In meiner Branche sieht man die Menschen irgendwann wie ein Arzt.
Wenn jemand zu mir kommt, fehlt ihm was, da braucht man nicht lange zu fragen.
Bei Sylvia sah man den Schmerz rings um die Augen. Sie ist dann nach einem Glas
gegangen, und ihre Freundin hat mir von ihrem Eierstockkrebs erzählt und dass
sie Schmerzmittel bräuchte.«
    »Etwas, das der Arzt ihr nicht verschreiben wollte?«
    Featherlight zuckte die Schultern.
    »Sie wollte ihn nicht die ganze Zeit darum bitten müssen. Sie wollte
sich die Schmerzmittel selbst besorgen. Es hatte was mit Selbstbestimmung zu
tun.«
    »Dann ging es also nur um Sex und Schmerzmittel?«, fragte Nick mit
einer gewissen Schärfe.
    »Nein. Am Anfang wollte sie nur Demerol und Oxycodon. Wir haben uns
getroffen, uns ein bisschen unterhalten. Sie war diejenige, die das andere
vorgeschlagen hat. Wahrscheinlich hatte ihre Freundin ihr gesagt, dass ich frei
war. Eine Woche später haben wir uns zu dritt getroffen – sie und ich und ihr
Mann. Miles. Wir haben uns gut verstanden. Und so ging’s dann weiter.«
    »Bis der Junge entführt wurde?«
    »Ja. Als Rainey verschwunden ist, war Schluss damit. Ich hab nie
wieder von ihnen gehört. Innerhalb von zwei Wochen waren beide tot. Diese ganze
Sache … die Videoaufzeichnung bei Uncle Moochie … das Grab … Sie haben das nie
aufgeklärt, oder?«
    »Nein. Vielleicht hätten wir Sie mal unter die Lupe nehmen sollen.
Tony Branko hat mir erzählt, dass Sie Rainey im Krankenhaus besucht haben.«
    »Ja. Ich bin alle paar Wochen bei ihm gewesen. Er war ein guter
Junge. Manchmal hatte ich das Gefühl, als könnte er verstehen, was ich zu ihm
sage.«
    »Und warum das? Weil Sie sich schuldig fühlen? Vielleicht hatten Sie
irgendwas mit diesem Verschwinden zu tun und haben jetzt ein schlechtes
Gewissen.«
    Featherlight fuhr auf, beherrschte sich aber. Er sah Nick an, mit
einem herausfordernd funkelnden Blick, und schüttelte den Kopf.
    »Nein. Das hätte ich nie im Leben tun können. Ich mochte diesen
Jungen. Er hat sich sehr für Football interessiert. Vor den Marines war ich
Ersatzmann bei den Gators. Ich hab mich mit ihm darüber unterhalten, wie Saint
Mary’s wohl dieses Jahr abschneiden wird. Er wollte Linebacker sein, erst bei
Saint Mary’s und später vielleicht an der State. Keiner, der ihn kannte, hätte
diesem Jungen was zuleide tun können. Und ich hätte jeden zerlegt, der es
versucht hätte.«
    Die gepresste Stimme und der Nachdruck, mit dem er das sagte, waren
überzeugend.
    »Als das passiert ist, hab ich mich umgehört. Ich glaube nicht, das
irgendeiner von der Straße was damit zu tun hatte. Ich hab mit vielen Leuten
gesprochen, über Uncle Moochie und ob irgendwer was über ihn weiß, aber das
Einzige, was ich gehört habe, ist, dass er ein ziemlich guter Hehler ist. Ich
hab mir auch diesen Alf Pennington angesehen, den mit dem Buchladen, weil ich
dachte, vielleicht hat er in Vermont mal was gedreht und ist deswegen hier
unten gelandet.«
    »Hätten Sie sich nicht denken können, dass wir das alles schon
überprüft hatten?«
    »Ich wollte es aber möglichst selbst rausfinden. Aber niemand wusste
was. Nicht mal die Typen, die kleine Mädchen begrapschen und an Fahrradsätteln
riechen. Ich hab ein paar von denen in die Mangel genommen, aber es ist nichts
dabei rausgekommen. Nein, was immer das war – es kam von … da draußen.«
    Draußen war in diesem Zusammenhang ein interessantes Wort, fand Nick. Er hatte es
ebenfalls benutzt, als er versucht hatte, dieses Rätsel zu lösen.
    Da
draußen.
    »Irgendeine Ahnung, wer es gewesen sein könnte?«
    Featherlight sah zu Nick auf.
    »Kann ich Sie was fragen?«
    »Klar.«
    »Wie lange haben Sie gebraucht, um Rainey aus diesem Grab zu holen?«
    »Ungefähr eine Stunde. Ich war erst gegen Ende dabei.«
    »Warum hat das so lange gedauert?«
    »Die Gittertür war zugerostet, und die Gruft

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