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Niceville

Niceville

Titel: Niceville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
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und sah ihn fest an, so dass ihm war, als würde er stumm verhört. Mit
einem Mal lag in der nach Kaffee und Cider duftenden Luft zwischen ihnen etwas
Sinnliches.
    »Dann werde ich tun, was ich kann, um Ihnen zu helfen. Ich werde
nicht die Polizei rufen, und deren Blutgeld will ich auch nicht. Aber es gibt
etwas, Merle, das Sie für mich tun könnten. Ich würde es selbst tun, aber es
gibt ein paar Dinge, die ich nicht kann, und ich habe festgestellt, dass dies
eines davon ist. Ich wäre bereit, es abermals zu versuchen und vielleicht
abermals zu scheitern. Ich zögere, es von Ihnen zu erbitten …«
    »Sagen Sie es nur, Glynis. Was immer es auch ist.«
    »Danke. Ich möchte, dass Sie jemanden töten.«

Charlie Danziger spricht mit den Feds
    Boonie Hackendorff und Charlie Danziger waren in derselben
Einheit der Nationalgarde gewesen, und so waren die ersten Minuten in
Hackendorffs FBI -Büro im einundsechzigsten Stock des
Bucky Cullen Federal Complex in der Innenstadt von Cap City der Frage gewidmet,
wie die Chancen standen, dass einer von ihnen demnächst einberufen wurde, um
gegen die Ayatollahs im Iran zu kämpfen.
    Das einstimmige Urteil lautete: schlecht bis sehr schlecht. Zur
Feier schenkte Hackendorff seinem Freund ein paar Fingerbreit Jim Beam ein.
Dann lehnte er sich in seinem alten Ledersessel zurück und legte die in
Stiefeln Größe 45 steckenden Füße auf den Tisch.
    Die schimmernden Spitzen, die Glastürme und zinnenbewehrten
Apartmenthäuser der Stadt ragten jenseits einer Wand aus getöntem Glas auf.
Überall brannten Lichter, um die nebelverhangene Düsterkeit dieses dunklen,
regnerischen Nachmittags zu vertreiben. Das FBI zeigte in Cap City stolz Flagge und residierte in einer großen Suite mit
zahlreichen Eckbüros im besten Bürokomplex der Stadt.
    Danziger betrachtete die Lichter der Stadt und überlegte, was er
sagen sollte. Dann betrachtete er Boonie, der ihn durch einen dieser verdammt
hässlichen, sorgfältig getrimmten Bärte angrinste, von denen große dicke Männer
wie Boonie Hackendorff irrtümlich annahmen, dass sie ihrem Kinn etwas
Energisches verliehen.
    Das war natürlich nicht der Fall, hieß aber keineswegs, dass Boonie
Hackendorff ein Dummkopf war. Sein Lächeln wurde dünner, und seine Augen wurden
schmaler, als Danziger sich auf dem Sofa bequemer zurechtsetzte, sein Glas hob
und ihm zuprostete. Sie tranken einen guten Schluck. Danzigers Blick fiel auf
seine Stiefel und die Blutspritzer auf dem blauen Leder. Er hoffte, dass Boonie
weit genug entfernt war, um sie nicht zu bemerken.
    »Was hast du da an den Stiefeln, Charlie?«
    Danziger schüttelte traurig den Kopf und sah wieder hinunter.
    »Blut«, sagte er. »Noch dazu mein eigenes. Ich hab mich gestochen,
als ich Köderfische geschnitten hab.«
    »Du hast dich gestochen? Wo?«
    Charlie tippte sich knapp oberhalb der Schusswunde an die Brust.
    »Mit einem Filetiermesser. Ich bin abgerutscht und hab mir in die
Titte gestochen. Hab geblutet wie ein Schwein. Tut immer noch scheißweh.«
    Boonie begann zu kichern, und schließlich lachte er, dass ihm Tränen
in die Augen traten. Er amüsierte sich derart, dass auch Charlie lächelte, wenn
auch nur, weil Boonies Lachen so eigenartig ansteckend war.
    »Das ist das Idiotischste, was ich je gehört habe.«
    »Pass bloß auf«, sagte Danziger. »Als du und ich und Marty vor zwei
Jahren zum Fliegenfischen am Snake waren, hast du dir deinen Angelhaken in den
Hintern gejagt.«
    »Aber mein Hintern ist viel größer als deine Titten, Charlie. Es war
praktisch unvermeidlich. Trägst du beim Angeln eigentlich immer Cowboystiefel?«
    »Boonie, ich trage beim Vögeln Cowboystiefel. Ich habe vor, in
Cowboystiefeln zu sterben. Beim Vögeln.«
    Boonie nickte und betrachtete seine eigenen Stiefel.
    »Würde ich auch, wenn ich jemanden zum Vögeln hätte. Du bewegst dich
auch komisch. Weil du dir in die Titte gestochen hast?«
    »Genau«, sagte Charlie. »Die Brustmuskeln haben so weh getan, dass
ich nur den linken Arm benutzen konnte. Ich konnte immer nur im Bogen rudern,
zwei Stunden gegen den Wind.«
    »Hat das Boot denn keinen Motor?«
    »Die Zündkerzen waren verrußt. Ich hab am Startkabel gezogen, bis
mir der linke Arm fast abgefallen ist. Also hab ich’s aufgegeben und das
Scheißboot sieben Kilometer bis zum Steg gerudert. Ich glaube, ich werde das Angeln
aufgeben. Zu gefährlich.«
    »Was gefangen?«
    »So gut wie gar nichts.«
    »Das wenigstens war also wie immer.«
    »Der Witz ist

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