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Niceville

Niceville

Titel: Niceville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
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oder in einem von diesen
Kaleidoskopen. Wenn man da drinnen herumgeht, sieht man aus dem Augenwinkel
ständig irgendwas blinken, aber wenn man dann hinsieht, ist da nichts. Also,
wie gesagt: Lass dich von den Spiegeln nicht erschrecken.«
    »Das ist nicht ganz das, was du gesagt hast.«
    Sie schwieg für einen Moment, tätschelte ihm den Unterarm und
richtete sich auf.
    »Stimmt. Um sechs hab ich Feierabend, dann bin ich zu Hause. Ruf
mich an, wenn du Lust hast zu reden.«
    »Meinst du, die werde ich haben?«
    Mavis zuckte die Schultern und tätschelte abermals seinen Unterarm.
Nick sah kurz zu ihr hoch und drückte auf das Gaspedal. Sie fuhren über die
lange, geschwungene Zufahrt zu dem großen Haus und hielten auf dem mit roten
Steinen gepflasterten Wendekreis vor der separaten dreitorigen Garage. Nick
parkte den Wagen neben einem antiken Packard in den Farben Floridas.
    Beide stiegen aus und spürten den leichten, nebelartigen Regen, der
aus den sich auflösenden Wolken rieselte, zwischen denen hier und da ein
Stückchen blauer Himmel aufblitzte. Der Rasen roch frisch geschnitten, der
ganze Garten wirkte frisch, eine üppige Pracht aus Magnolien, Bougainvilleen
und japanischem Ahorn.
    Beau probierte die Fahrertür des Packards, öffnete sie, beugte sich
hinein und sah sich darin um.
    Nick ging zu der Treppe, die zu der großen, umlaufenden Veranda
führte. Der Boden bestand aus lackierten Bohlen, und hier und da standen
elegante Bugholzsessel.
    Die Haustür war weit offen. Nick sah einen schön gemusterten
Orientteppich in einer Eingangshalle voller Schatten. Überall glänzten dunkles
Holz und das geschliffene Glas der Jugendstilwandlampen.
    Zur Rechten des Hauptkorridors lag ein Raum, der wie eine große
Hutschachtel aussah, zur Linken führte eine offene Tür in die Bibliothek, und
geradeaus war, etwa zwanzig Meter vom Eingang entfernt, die Tür zu einer großen
Küche mit weiß lackierten Möbeln an der Rückseite des Hauses.
    Nick blieb an der Haustür stehen und lauschte auf das Ächzen und
Knacken des Hauses, während die Wärme des Tages die alten Balken durchzog.
    Er sah auf die Hauswand über der Tür und entdeckte die kleine Kamera
auf ihrer Halterung. Das Kontrolllämpchen war ein winziger rubinroter Fleck in
den blauen Schatten unter dem Verandadach. Eine Überwachungskamera. Er nahm
sich vor, die Aufzeichnungen später zu überprüfen.
    Als er wieder durch den dunklen Korridor blickte, stand am anderen
Ende als Silhouette vor dem Küchenlicht eine dunkle Gestalt. Ihm stockte der
Atem, ein ganzer Gletscher lief ihm über den Rücken, und das Herz in seiner
Brust begann zu schlagen wie eine Unruh.
    Er blinzelte, doch das änderte nichts, die große schwarze Gestalt
blieb, wo sie war. Sie war von Kopf bis Fuß in ein formloses schwarzes Gewand
gehüllt, gesichtslos und vollkommen reglos.
    Eine Muslimin mit einem schwarzen Niqab.
    Innerhalb eines Sekundenbruchteils wurde seine Haut taub, und der
Revolver war in seiner Hand, bevor er auch nur daran gedacht hatte. Beau, der
die blitzschnelle Bewegung gesehen hatte, kam mit raschen, gleitenden
Bewegungen die Treppe herauf und hatte ebenfalls die Pistole gezogen. Nick
zielte mit dem Colt durch den langen dunklen Korridor auf die noch immer
reglose schwarze Gestalt. In seiner Brust hämmerte es, seine Kehle war wie
zugeschnürt und schmerzte.
    Beau stand neben ihm und zielte ebenfalls.
    »Was ist?«, flüsterte er.
    »Die Frau in Schwarz am Ende des Korridors«, sagte Nick mit
erstickter Stimme. Es klang beinahe wie ein Knurren und angespannt wie ein
Trommelfell. »Wenn sie auch nur zuckt, verpasst du ihr zwei in den Kopf. Nicht in den Körper. In den Kopf.«
    Beau versuchte zu sehen, was Nick gesehen hatte, und wusste nicht,
was zum Teufel eigentlich hier los war, denn er konnte nur ein unbestimmtes
schwarzes Etwas erkennen, doch er folgte Nick, als dieser mit schnellen
Schritten durch den Korridor ging und auf den Kopf der zwanzig Meter entfernten
Gestalt zielte. Was seine Gedanken beherrschte, war alles andere als die
normale Reaktion eines Polizisten im Einsatz.
    Beau war ratlos, aber willig, und deckte ihn. Er folgte Nick, als
dieser sich durch den mit verzierten Paneelen getäfelten Korridor auf das
schwarze Etwas zubewegte, er blieb, die Pistole gesenkt, dicht hinter ihm und
überprüfte mit einem kurzen Blick jeden Raum, an dem sie vorbeikamen.
    Als sie etwa zwei Drittel des Wegs zurückgelegt hatten, verwandelte
sich das Bild einer von Kopf bis Fuß

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