Niceville
rot-schwarz lackierter Jeep von Armed Response und ein
schiefergrauer Streifenwagen standen zu beiden Seiten des offenen Tors, und an
der Kühlerhaube des Polizeiwagens lehnten zwei Uniformierte: ein kräftig
gebauter junger Schwarzer mit kahlgeschorenem Schädel und dem komplizierten
Abzeichen von Armed Response, und eine ältere Weiße mit rosigen Wangen,
fuchsrotem Haar und goldenen Sergeant-Streifen an der dunkelblauen
Polizeiuniform.
Nick ließ den marineblauen Crown Vic ausrollen. Gegenüber der
Einfahrt hatten sich Anwohner eingefunden, hauptsächlich ältere Leute, aber
auch einige junge Paare. Sie alle hatten jenen aufmerksamen, leicht benommenen
Gesichtsausdruck, den Zivilisten bekommen, wenn die Polizei in Aktion tritt.
Sergeant Crossfire kam zu Nicks Seite des Wagens und lächelte, als
sie ihn erkannte.
»Nick, altes Haus. Hast du diesen Fall?«
»Ja. Hallo, Mavis. Du siehst mal wieder phantastisch aus.«
Sergeant Crossfire verdrehte die Augen und lächelte auf ihn hinab.
Sie wirkte robust, mit breiten Schultern und kräftigen Armen, und sah aus, wie
die meisten Streifenpolizisten aussehen: cool, freundlich und gelassen, aber
wie jemand, mit dem man sich lieber nicht anlegte.
Phantastisch? Wohl eher nicht.
Nick lächelte zurück und machte Beau Norlett und Staff Sergeant
Mavis Crossfire vom Niceville Police Department miteinander bekannt.
Beau beugte sich herüber, streckte die Hand aus, ließ sie sich
gründlich und ausgiebig schütteln und bekam sie weitgehend unversehrt wieder
zurück.
»Warum du, Nick?«, fragte Mavis verwundert. »Das ist doch eher was
für die Vermisstenstelle, würde ich sagen.«
»Würde ich auch sagen. Aber Tig hat Delia Cotton in sein Herz
geschlossen und will, dass ich mich persönlich darum kümmere.«
»Ganz schön viele Vermisste in dieser Stadt, findest du nicht, Nick?«
»Ja. Findet der Bürgermeister übrigens auch. Little Rock hat endlich
beschlossen, was zu unternehmen – Vermisste wählen ihn nicht mehr. Er hat
Boonie Hackendorff zugesetzt, und jetzt sind alle Leute, die Boonie entbehren
kann, damit beschäftigt, die Vermisstenfälle der vergangenen neunzig Jahre
durchzugehen und nach einem Muster zu suchen.«
»Neunzig Jahre?«
»Ja. Alle ungelösten Fälle. Hundertzweiundsechzig Vermisste.«
»Na, dann kann man ihnen ja nur Glück wünschen«, sagte Mavis. »Ich
hab mich immer schon gefragt, wann Little Rock mal anfangen würde, sich über
unsere Desaparecidos Gedanken zu machen. Das sind doch verdammt viele für eine kleine Stadt wie
Niceville.«
Sie richtete sich auf und rief den jungen Mann in der
Armed-Response-Uniform herbei.
»Komm her, Dale, ich mach dich mit einem echten Kriegshelden
bekannt.«
Nick verzog das Gesicht, doch es gelang ihm noch, ein Lächeln
aufzusetzen, als der Mann an den Wagen trat und die Hand ausstreckte.
»Freut mich, Sie kennenzulernen. Ich bin Dale Jonquil.«
Er sprach den Namen Jon-kwil aus und verzog dabei keine Miene,
obwohl viele Leute, die wussten, dass ein Jonquil ein
kleines gelbes Blümchen war, gern furchtbar witzige Bemerkungen darüber
machten.
Früher jedenfalls.
Nick, für den ein Jonquil ebenso gut ein Schmiedehammer hätte sein
können, schüttelte ihm die Hand und stellte ihm Beau vor.
»Dale war auch bei den Special Forces, Nick«, sagte Mavis.
Nick musterte den Mann eingehender. Jonquil erwiderte den Blick
ruhig und gelassen.
»Bei welcher Einheit?«, fragte Nick.
»20. Special-Forces-Gruppe, 3. Bataillon.«
»Nationalgarde? In
Florida?«
»Ja, Sir. Wir waren zusammen mit den Special Forces der Air Force in
Hurlburt Field bei Mary Esther, aber hauptsächlich haben wir die 7. in Fort
Bragg unterstützt. Unser Aktionsbereich umfasste Mexiko und Lateinamerika, und
da war nicht viel los.«
»Außer den Drogenschmugglern an der Grenze.«
»Ja, aber das gehört nicht zu unseren Aufgaben, jedenfalls noch
nicht. Meine Dienstzeit ist ein bisschen anders verlaufen als Ihre, wenn ich so
sagen darf, Sir. Alle im Special Operations Command kennen Sie, Sir. Es ist mir
eine echte Ehre, Sie kennenzulernen.«
Nick wollte dieses Thema nicht vertiefen.
»Freut mich, dass Sie heil nach Hause zurückgekehrt sind, Dale.
Können Sie mir sagen, was Sie über die Sache hier wissen?«
Er nickte zum Haus und sah zu seiner Überraschung, dass das Gesicht
des jungen Mannes verschlossener wurde.
»Ehrlich, Sir, ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Die nette
alte Dame ist einfach verschwunden. Und der
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