Niceville
ragten ins Esszimmer.
Nach der Größe des Flecks zu schließen, war dieser Mensch nicht
gerade klein gewesen – mindestens eins achtzig. Nick hatte den Eindruck, dass
der Mann – sofern es denn ein Mann gewesen war – mit zur Seite gedrehten Beinen
auf dem Rücken gelegen hatte, als hätte irgendetwas Schweres auf ihm gelastet
und ihn zu Boden gedrückt.
Also, das war wirklich lächerlich.
Es war nur ein Fleck.
Es war eine Spur. Kein Blut, keine Fußabdrücke, die auf einen Kampf
schließen ließen, überhaupt keine Anzeichen von Gewalt.
Er kniete abermals nieder und berührte den Boden in der Mitte des
Flecks. Er fühlte sich eindeutig warm an, ein paar Grad wärmer als der Rest des
Bodens.
Unter
den Dielen könnte eine Warmwasserleitung sein , dachte er. Er rieb
darüber und spürte die Maserung des alten Holzes. Der Lack war vollständig
abgetragen. Und die Stelle sah aus, als hätte dort ein Mann gelegen. Er
schnupperte an seiner Fingerspitze und roch die Rückstände – es war ein
scharfer Brandgeruch, als wäre Stoff verbrannt, und dahinter war ein zweiter
Geruch, der an Kupfer erinnerte.
Was zum Teufel war hier passiert?
Sein Funkgerät piepte, und dann, unter dem statischen Knistern,
hörte er Beaus Stimme, ein angespanntes, heiseres Flüstern.
»Nick, wo bist du?«
»Im Wohnzimmer. Und du?«
»Im Keller.«
»Was machst du da unten?«
»Bis eben bin ich dem Kamerakabel nachgegangen. Hier unten ist was –
ich weiß nicht, was es ist, aber du solltest es dir ansehen.«
Coker und Charlie Danziger machen alles komplizierter
Die CD mit dem Raytheon-Logo lag in der mit blauem Samt ausgekleideten Vertiefung des
Edelstahlkästchens, das zwischen Coker und Danziger auf dem Esstisch
stand, in das weißglühende Licht der Halogenlampe getaucht, die Coker aus
seinem Arbeitszimmer geholt hatte.
Neben Cokers rechtem Ellbogen stand eine Flasche Jim Beam, und beide
hatten ein Glas in Reichweite – es waren billige Gläser mit aufgedruckten Trauben
und Orangen. Im Hintergrund spielte melancholische Musik: Jerry Goldsmiths
Trompetensolo aus Chinatown .
Coker nahm den letzten Zug von seiner Zigarette und drückte sie in
einem Aschenbecher in Form eines Autorennreifens aus. Er lehnte sich auf seinem
Stuhl zurück, so dass dieser knarzte wie ein verrostetes Tor, und musterte
Danziger, der an seiner Zigarette zog.
»Du erinnerst dich doch, dass du eine Kugel in die Lunge gekriegt
hast, die du gerade vollquarzt?«
Durch seine persönliche Nebelbank hindurch sah Danziger ihn mit
zusammengekniffenen Augen an.
»Den Lungenflügel benutze ich nicht. Ich leite die Luft um.«
»Du leitest sie um? In den anderen Lungenflügel?«
»Ja.«
»Wenn du abkratzt, Charlie, krieg ich alles.«
»Und was ist mit Merle Zane? Hat er sich noch mal gemeldet?«
Coker schüttelte den Kopf und dachte nach.
»Ich hab innerhalb von zehn Minuten drei Anrufe gekriegt, jedes Mal
stand seine Handynummer auf dem Display, und jedes Mal hab ich bloß so ein
Zischen und Kratzen gehört, wie Dampf oder vielleicht wie Wind, der durch
trockenes Gras weht. Vielleicht auch ein Tier, hab ich gedacht. Ein Waschbär
oder ein Opossum. Ich warte, dass Merle was sagt, aber da kommt nichts, nur
dieses Zischen und Kratzen, fünfzehn, zwanzig Sekunden lang, und dann wird aufgelegt.«
»Hast du ihn zurückgerufen?«
»Ja, nach dem dritten Anruf. Es läutet ein paarmal, und dann
schaltet sich die Mailbox ein.«
»Hast du eine Nachricht hinterlassen?«
»Ich hab gesagt, dass wir uns mit ihm treffen und die Sache
geradebiegen und alles wieder in Ordnung bringen wollen, und er soll sagen,
wann und wo.«
»Und danach hat er nicht mehr angerufen?«
Coker schüttelte den Kopf. Für einen Augenblick versank er in
Nachdenken und versuchte herauszufinden, was Zane mit diesem Spiel bezweckte,
doch die Daten waren unzureichend, und so gab er es auf.
»Nein, hat er nicht. Also muss ich über diese Merle-Zane-Geschichte
noch ein bisschen nachdenken. Wenn mir was Brillantes einfällt, lass ich’s dich
wissen.«
Er beugte sich vor und tippte an das Stahlkästchen.
»Und jetzt zu dieser komischen CD …
Irgendwelche Vermutungen?«
Danziger schwieg eine Weile.
Cokers großer Flachbildfernseher in der Ecke des Raums war stumm
geschaltet und zeigte Polizeiwagen, die kreuz und quer vor einem großen roten
Backsteingebäude standen. Im Hintergrund war eine Art-déco-Kirche zu sehen, im
Vordergrund sprach eine Reporterin mit Haarhelm in die Kamera.
Am
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