Niceville
schwarz verhüllten stämmigen Muslimin in
den Anblick einer halb geöffneten Glastür, in der sich eine schwarze, mit
Hieroglyphen versehene und in einer Nische neben der Küchentür stehende Säule
spiegelte.
Nick blieb so abrupt stehen, dass Beau ihn beinahe angerempelt
hätte. Er stand wie angewurzelt da, sein linkes Bein vibrierte. Er schluckte
unter Schwierigkeiten, ließ den Revolver sinken und lehnte sich mit dem Rücken
an die Wand. Sein Atem ging stoßweise, beide Beine zitterten, sein Gesicht war
schweißnass und grau.
»Nick, was ist los? Nick? Alles okay?«
Nick versuchte, sich zu fassen. Er hob die Hand und machte eine
unbestimmte Geste, Beau solle vorausgehen und die Küche überprüfen.
Beau zögerte einen langen Augenblick und fragte sich, ob Nick
vielleicht einen Herzanfall hatte, doch dann ging er durch die Glastür und trat
in eine große, helle, ganz in Weiß gehaltene Küche.
Nick blieb im trüben Licht des Korridors und starrte ins Nichts. Er
versuchte, Al-Kuribija und das Wadi Doan aus dem Kopf zu bekommen, aber er sah
wieder die eckigen Häuser des Dorfes in dem kargen, zerklüfteten, von
dreihundert Meter hoch aufragenden Sandsteinfelsen umschlossenen Tal.
Er hörte den Wind in den Dornbüschen und das Knattern automatischer
Waffen, das durch das Tal hallte. Er schloss die Augen und lehnte den Kopf an
die Wand.
Die Bodendielen quietschten, und als er die Augen öffnete, stand
Beau da und sah ihn besorgt an.
»Was hast du gesehen, Nick? Was war da?«
Nick wollte nicht mal versuchen, Beau oder irgendeinem anderen das,
was sich im Wadi Doan abgespielt hatte, zu erklären.
»Tut mir leid, dass ich dich erschreckt hab, aber ich dachte, ich
hätte … eine Frau gesehen … am Ende des Korridors. Es kam mir so vor, als hätte
sie eine Waffe in der Hand. Was hast du gesehen?«
Beau schüttelte den Kopf, blinzelte und sah Nick an.
»Mann … ich weiß es nicht. Da war so eine schwarze Säule, ein
bisschen verzerrt durch das Glas. Aber das sah nicht aus wie eine Frau.«
Mit einiger Mühe fand Nick zu seinem gewohnten Ich zurück. Er stieß
sich von der Wand ab.
»Vergiss es. Mavis hat eine blühende Phantasie. Erinnere mich daran,
dass ich es ihr sage. Jetzt durchsuchen wir das Haus, langsam und gründlich,
okay?«
»Okay. Wo willst du anfangen?«
»Draußen hängt eine Überwachungskamera. Sieh mal nach, ob du die
Festplatte dazu finden kannst. Vielleicht ist was drauf, das uns weiterbringt.«
»Okay«, sagte Beau und ging zur Haustür. Nick schüttelte sich noch
einmal, atmete tief ein und langsam wieder aus und machte sich auf den Weg zu
dem Hutschachtelzimmer.
An der Tür blieb er stehen. Vor ihm lag ein großer, achteckiger Raum
mit blassgelben Wänden, einer weißen, stuckverzierten Decke, eleganten hohen
Fenstern und einem großen Deckenleuchter aus Buntglas. Der Holzboden glänzte,
und durch das antike Glas der Fenster schimmerte das vom Regen gereinigte
Licht.
In einem riesigen Schrank aus hellem Holz standen ein großes
Stereogerät aus den fünfziger Jahren und ein altmodischer Fernseher, davor
waren zwei Polstersessel. Auf einem Beistelltisch lag eine Fernbedienung neben
einem schweren Kristallglas, halb gefüllt mit einer bernsteinfarbenen
Flüssigkeit.
Nick beugte sich hinab und roch daran: Scotch, nach einer Nacht warm
und abgestanden. Vor dem Sessel neben dem Beistelltisch lag eine Steppdecke,
als wäre sie von Delias Schoß gerutscht, als diese sich erhoben hatte.
Vorausgesetzt, dies war Delias Sessel.
Mit der Spitze eines Stiftes drückte er auf die Fernbedienung und
schaltete die Stereoanlage an. Unvermittelt donnerte das klagende Cello, die
Lautstärke war ohrenbetäubend. Alice Bayer, die Frau mit den Einkäufen, hatte
gesagt, sie habe die Anlage abgestellt, als sie ins Haus gegangen sei. Nick
brachte die Musik zum Schweigen und schaltete mit dem Stift den Fernseher ein.
Auf dem Bildschirm erblühte langsam ein Bild: Man sah in Farbe eine
Ansicht der Vorderveranda, offenbar aufgenommen von der Überwachungskamera über
der Haustür. Beau kniete in der unteren linken Ecke des Bildes – vermutlich
verfolgte er den Verlauf eines Kabels.
Okay.
Sie sitzt also hier, hat sich einen Scotch eingeschenkt und hört
sich Cello-Musik an. Es ist ein schöner, ruhiger Freitagabend. Aber irgendetwas
stört die Ruhe. Nicht das Telefon. War am Tor ein Klingelknopf? Er würde es
überprüfen, aber er glaubte, dort keinen gesehen zu haben. Vielleicht die
Türglocke. Ja, denn
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