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Niceville

Niceville

Titel: Niceville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
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dann kam Beau die Treppe herunter.
Das Ding unter dem Ofen fauchte erneut und zog sich noch weiter in die Schatten
zurück.
    »Die hier hab ich gefunden«, sagte Beau und reichte Nick ein Paar
Gärtnerhandschuhe aus schwerer Baumwolle und mit langen Stulpen. »Und das
hier«, fügte er hinzu und zeigte Nick eine Schaufel und eine dicke graue Decke.
    Nick zog die Handschuhe über, krempelte die Hemdärmel hinunter und
kroch unter den Ofen. Er spannte sich an, und dann schnellte sein rechter Arm
blitzartig vor.
    Er griff in dickes Fell und spürte, wie Krallen in Handschuh und
Ärmel fuhren. Das Ding fauchte und knurrte, es war unglaublich stark, es wand
sich in seinem Griff und biss in den Handschuh – Nick fühlte die feinen Spitzen
der Zähne, die nur gerade eben seine Haut berührten. Er kroch unter dem Ofen
hervor und hielt eine große Maine-Coon-Katze am Nackenfell fest.
    Er packte mit der anderen Hand die beiden Hinterbeine und musste
achtgeben, dass das Tier sich ihm nicht entwand. Die Augen der Katze blickten
wild, die Ohren lagen flach an, das Fell war gesträubt, der Schwanz peitschte
hin und her, die Zähne waren so gefletscht, dass man das Zahnfleisch sah. In
den Iriden tanzte ein verrücktes grünes Licht. Sie versuchte, Nick mit den
Krallen ihrer Hinterpfoten den rechten Unterarm aufzureißen.
    Gemeinsam gelang es ihnen, das Tier fest in die Decke einzuwickeln,
so dass nur noch der Kopf zu sehen war. Die Katze wehrte sich nach Kräften, sie
fauchte und versuchte, den Kopf so weit zu drehen, dass sie Nick in die Hand
beißen konnte.
    »Herrgott«, sagte Beau, »was ist denn in die gefahren?«
    »Das ist Delias Katze«, sagte Nick. »Sie ist in der Meldung erwähnt.
Mildred … Mildred Pierce.«
    Beim Klang dieses Namens schien sich die Katze ein wenig zu
beruhigen, zwar nicht so weit, dass sie sie hätten freilassen können, aber
immerhin versuchte sie nicht mehr, menschliches Konfetti aus ihnen zu machen.
    Nick spürte das Zittern des Tieres und die Wärme, die durch die
Decke drang.
    Nick, der Katzen im Allgemeinen lieber mochte als Hunde, drückte sie
an die Brust. Als er die Treppe hinauf und in die Küche ging, knurrte Mildred
Pierce so tief wie eine Basssaite. Beau behielt sie im Auge und hielt die
Schaufel, als wäre es ein Baseballschläger.
    »Stell das Ding weg«, sagte Nick. »Wir werden doch keine Hauskatze
erschlagen.«
    »Genau das werde ich, wenn sie dir entwischt. Sie ist fast so groß
wie ein Luchs. Und sieh dir ihre Augen an. Diese Katze ist verrückt.«
    Nick musterte die Katze. Sie war plötzlich ganz still und erwiderte
seinen Blick mit einem unverwandten Starren. Für einen Augenblick war es, als
sähe ihn ein intelligentes, aber durch und durch kaltes Wesen an. Doch der
Augenblick verging, und das, was er in den Armen trug, war nur eine Katze.
    »Herrje«, sagte Nick, »was hast du gesehen? Was zum Teufel hast du
nur gesehen?«
    »Ist das ein Katzenverhör?«, fragte Beau.
    »Sie ist die einzige Zeugin, die wir haben«, antwortete Nick. »Ich
glaube, da ist Blut an ihrem Fell. Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wem
es gehört.«

Tony Bock bekommt mehr, als er erwartet hat
    Bock
war einer der wenigen Menschen in Niceville, die, wie Byron Deitz, ihren
Samstagsbeschäftigungen nachgingen, ohne die leiseste Ahnung zu haben, was an
der Ecke Peachtree und Gwinnett vor sich ging.
    Sobald er sich für eine Vorgehensweise, und sei sie noch so
niederträchtig, entschieden hatte, war Bocks Arbeitsmoral unübertrefflich.
Nachdem er früh am Morgen Kopien der E-Mail über Kevin David Dennison an die
Kirche, die Zeitung und Channel Seven verschickt hatte, verbrachte
er den Rest des Vormittags mit der gewissenhaften Komplettierung der
Littlebasket-Datei: Er suchte im Internet die enthüllendsten oder einfach
erniedrigendsten Fotos, die Morgan Littlebasket mit der verborgenen Kamera von
seinen Töchtern Twyla und Bluebell gemacht hatte, und lud sie auf seinen
Computer.
    Das Auswahlverfahren erforderte Konzentration – es ging ihm um
maximalen Schmerz und größtmögliche Demütigung –, doch gegen zwei Uhr hatte er
alles erledigt. Mit halbem Ohr hörte er im Radio die Wiederholung einer Folge
von Garrison
Keillor’s Prairie Home Companion , einer Serie, die zu seinen
Lieblingssendungen gehörte.
    Sein Vormittag wäre wohl anders verlaufen, wenn er stattdessen die
Nachrichten verfolgt hätte.
    Nachdem er das Littlebasket-Projekt abgeschlossen hatte – wieder ein
schwieriger Job gut

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