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Niceville

Niceville

Titel: Niceville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
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das war Captain James
Candles. Der Name des Mannes in dem grünen Crown Vic wurde nicht
bekanntgegeben, doch er stach selbst in diesem erlauchten Kreis heraus: ein
beeindruckender Clint-Eastwood-Typ mit harten Augen und faltigem, ledrigem
Gesicht, der sich gut bewegte und eine Art stummer Bedrohlichkeit verströmte,
jedenfalls für Bock, der Bedrohlichkeit erkannte, wo immer sie ihm begegnete –
also praktisch überall. Die Fernsehschnepfe spekulierte darüber, wer dieser
Mann sein könnte, als er an den Kofferraum seines Wagens trat, ihn öffnete und
etwas herausnahm, das ganz eindeutig ein Gewehrkoffer war. Bocks Kehle schnürte
sich zusammen, und seine Knie wurden weich.
    Verdammte
Scheiße.
    Sie
wollten Dennison abknallen.
    Gott
im Himmel.
    Und sie zeigten die Waffe vor der Kamera. Ein klares Signal an die
Zuschauer und insbesondere an Kevin David Dennison im Rektorat, dass man zu
einer Eskalation bereit war. Bock hatte bereits erfahren, die Unterlagen über
Dennison seien nicht korrekt – was übrigens Blödsinn war, denn wenn es um
Unterlagen ging, irrte Bock sich nie –, und es hatte Andeutungen gegeben, dass
dieser Geiselnehmer eigentlich ganz und gar unschuldig sein könnte, aber das
würde die Bullen offensichtlich nicht davon abhalten, ihm vor laufenden Kameras
das Hirn rauszublasen.
    Und wenn das geschah, wenn sie das wirklich taten,
würde einer schuld sein am Tod dieses Mannes – und derer, die im Verlauf der
Sache ins Gras beißen würden –, und das wäre dann niemand anderer als …
    Tony Bock.
    Herrgott
im Himmel , dachte er, ließ sich auf das Sofa sinken und starrte
auf den Bildschirm, wo hab ich mich da bloß reingeritten?
    Diese Geiselnahme war eine Katastrophe.
    Selbst wenn es keine Toten gab, würden sich die Bullen dort auf der
Straße, vielleicht sogar der Hollywood-Killer mit dem silbergrauen Haar und dem
dunklen Anzug, auf die Suche nach dem miesen kleinen Schleimscheißer machen,
der die ganze Sache ins Rollen gebracht hatte.
    Und dieser miese kleine Schleimscheißer saß auf seinem großen
Ledersofa und sah ihnen zu.
    Bock ließ sich zurücksinken, sein Herz klopfte heftig, kalte Angstschauer
liefen ihm über den Bauch – er war äußerst empfänglich für Angst –, und sein
rastloses Nagetiergehirn suchte im Keller seines Lebens ein Loch, in dem er
verschwinden könnte. In dieser unerfreulichen Situation läutete das Telefon. Er
beugte sich über das Display und las: SECURICOM TECHSERVE
     
    Okay.
    Nicht
gut.
    Aber
immerhin nicht die Bullen.
    Bock nahm den Hörer ab, schluckte hart und meldete sich. »Bock.«
    »Spreche ich mit Mr Christian Anthony Bock?«
    Eine sanfte Stimme, definitiv nicht die eines Bullen. Irgendein
kleines Licht von einer Marketingfirma.
    Bock griff ins Register mit der Aufschrift Einschüchterung .
    »Ja. Und wer sind Sie?«
    »Mein Name ist Andy Chu. Haben Sie einen Augenblick Zeit?«
    »Ich kenne keinen Andy Chu. Worum geht es?«
    »Ich bin IT -Spezialist bei Securicom, Mr Bock.
Ich höre im Hintergrund Ihren Fernseher. Sehen Sie zufällig gerade den Bericht
über die Geiselnahme in der Saint Innocent?«
    »Ja. Wie alle anderen. Na und?«
    Auf dem Bildschirm tat sich etwas: Die Bullen gingen hinter den
Streifenwagen in Deckung oder sprangen in Hauseingänge. Die Fernsehschnepfe
sprach zu schnell in ihr Mikrofon und rief: »Es wird geschossen, oh Gott, es
wird geschossen!«
    »Du liebe Zeit«, sagte Andy Chu gelassen und mit ganz leichtem
asiatischem Akzent. »Sieht so aus, als würde die Sache rapide den Bach
runtergehen, nicht?«
    »Hören Sie, wer Sie auch sind – was wollen Sie eigentlich von mir?«,
fragte Bock und täuschte verwirrte Ungeduld vor, während sein Herz raste und
ihm empfahl, sich auf etwas durch und durch Hässliches einzustellen.
    Chu zögerte kurz und sagte dann in überaus mildem, ruhigem Ton die
drei Worte, die das Herz noch des tapfersten Mannes mit Angst und Schrecken
erfüllen.
    »Wir müssen reden.«

Coker trennt die Spreu vom Weizen
    Coker hatte seine Schussposition etwa einen Meter fünfzig
hinter einem offenen Fenster im ersten Stock über einer Pizzeria an der
Peachtree bezogen, genau gegenüber dem Rektorat der Saint Innocent Orthodox. Er
hatte einen hervorragenden Blick durch das dünne Fensterglas in das Büro, wo er
hinter der teilweise geschlossenen Jalousie einen Mann mittleren Alters mit
Glatze, Apfelbäckchen und Halbbrille sehen konnte. Die Brille war auf die
Nasenspitze gerutscht, und das Gesicht des Mannes

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