Nicholas Dane (German Edition)
wurde sie wütend. Weil er irgendwo war, wohin er sie nie mitnehmen würde, und es dort schön warm hatte. Jedenfalls glaubte sie das.
So war das also. Ein scheußlicher Dienstagnachmittag, draußen nass, innen eisig kalt und nichts zu tun außer rumsitzen und auf nichts warten. Sonnschein lag im Bett. Davey und Nick hatten sich in Decken gewickelt und schlürften heißen Tee, und Red stand in der Küche und machte für Sonnschein Kaffee.
Sie hatte schlechte Laune. »Ihr solltet unterwegs sein«, knurrte sie die beiden an.
»Du klingst wie meine Mum«, sagte Davey.
»Ich dreh noch mal durch, immer hier drin eingesperrt!«, antwortete sie. »Wenn ich rauskönnte, würdet ihr mich hier nich sehen.«
»Warum gehst du denn dann nicht raus?«, fragte Nick spöttisch. Sie reckte ihren Kopf wütend nach hinten, Richtung Schlafzimmer, wo Sonnschein unter einer prächtigen Marihuana-Glocke schlief. Und genau in dem Moment knackte es in der Gegensprechanlage.
Ärgerlich schlurfte Red zur Tür. Sie beugte sich vor und lauschte dem Gekrächze.
Sie hielt inne, legte erschrocken die Hände vors Gesicht, drehte sich zu Nick und Davey um und beugte sich dann wieder zur Gegensprechanlage vor. Es krächzte jetzt lauter, und es klang nicht gerade fröhlich.
Red richtete sich auf und guckte Davey an. »Es ist Jonesy«, sagte sie.
Davey setzte sich auf. »Scheiße«, sagte er. Er blickte düster zu ihr. »Was willste machen?«, fragte er. Aber bevor sie antworten konnte, stand Sonnschein an der Schlafzimmertür. Ein Blick auf Red reichte. Offensichtlich wusste er schon, das Jones aus dem Gefängnis entlassen worden war.
»Isser’s?«, fragte er. Red nickte. Er hob einen Finger an die Lippen. »Ich bin nicht da und du auch nicht«, sagte er zu ihr. Red zuckte die Achseln. In der Gegensprechanlage krächzte und knackte es wie wild.
»Mach du das«, sagte sie. »Ich glaub, so richtig gut drauf ist der nich.«
Sonnschein ging zur Gegensprechanlage, und Nick und Davey standen auf und folgten ihm. Nick konnte inzwischen verstehen, was unten gesagt wurde, aber dazu musste er ganz nah an den Lautsprecher gehen.
»Ich weiß, dass du da bist, Sonnschein. Also mach auf«, sagte die Stimme. Schweigen. Es knackte wieder, lauter und wütend. »Irgendwann musste mir doch aufmachen, also tu’s lieber gleich.« Sie warteten ab.
»Du weißt, wer ich bin«, sagte die Stimme. »Du weißt, was ich bringe.«
Die Jungs blickten einander an. Sonnschein legte die Hände vors Gesicht.
»Aber ich bin nicht da«, stöhnte er vor sich hin.
»Mach auf, verdammt noch mal, mach auf!«, schnarrte es. Und von ganz weit weg war das Geräusch eines fernen, aber mächtigen Trommelns zu hören.
»Der tritt die Tür ein, Sonnschein«, sagte Red ruhig.
»Scheißkerl, so ein Scheißkerl! Das hört meilenweit jeder, wie der mir die Tür eintritt«, jaulte Sonnschein und warf die Hände vor Zorn in die Luft. Er stapfte von der Tür weg. »Dem is doch alles egal, auch er selbst. Lass ihn rein«, fuhr er Stella über die Schulter hinweg an. »Das ist doch sowieso, was du willst, oder?«
»Will ich nich, Sonnschein«, sagte sie und drückte auf den Summer.
Das Wummern hörte auf. Die Gegensprechanlage schnarrte noch einmal, dann rumste es kräftig. Jones hatte die Tür hinter sich zugeworfen.
»Red, du gehst mit Nick nach nebenan.«
»Sonnschein!«
»Los!«
»Der fragt bestimmt nach mir«, warnte sie.
»Dann bist du eben nich da. Los jetzt. Du nicht, Davey. Du bleibst hier bei mir.«
Davey, der mit den anderen hatte mitgehen wollen, setzte sich wieder, sah aber nicht besonders glücklich aus. Red und Nick verzogen ich in eines der Zimmer, die vom Wohnraum abgingen.
»Was ist denn los?«, fragte Nick, als sie die Tür hinter sich geschlossen hatten.
»Das wirst du schon merken, wenn du Jonesy siehst«, sagte Stella. Sie klang so aufgeregt, dass Nick sie erstaunt anblickte. Sie glotzte zurück. »Was?«, fragte sie. »Ist längst vorbei, das weißt du doch«, fügte sie hinzu. Aber es sah nicht so aus.
Sonnschein lehnte seine Wohnungstür an, dann setzte er sich an den Küchentisch und wartete auf Jones. Nach dem Krach, den der unten an der Tür gemacht hatte, hätte man denken können, er käme polternd die Treppe hinaufgestürmt, aber erst am Knarren der Dielenbretter im Flur merkten sie, dass er vor der Wohnung stand, und sie zuckten zusammen. Mit einem Knall wurde die Tür aufgestoßen, und dann stand er vor ihnen, ein großer, schlanker Mann in
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