Nicholas Dane (German Edition)
neuen Schädeln, die er einschlagen kann«, murmelte Michael Moberley vor sich hin. Aber als er das sagte, hörte sich das nicht richtig an. Tony Creal hatte bei seinem Gespräch mit Michael übertrieben. Nur ein wenig. Michael hatte ihm zwar geglaubt, aber es kam ihm im Nachhinein doch irgendwie komisch vor, dass er dem Mann einfach alles abgenommen hatte, was der über Nick behauptete.
Er nahm den Brief mit in die Küche und wählte die Nummer, die im Briefkopf stand. Er hatte Glück – bei seinem letzten Anruf war die Zentrale stundenlang besetzt gewesen. Diesmal kam er sofort zu Mrs Batts durch.
»Also – der kleine Verbrecher ist abgehauen, ja?«, sagte er.
»Ooh, nun jaa, ich würde ihn nicht gleich einen Verbreecher nennen, Mr Mooberley«, sagte sie gedehnt.
»Nicht?«, fragte Mr Moberley einigermaßen erstaunt. Er hatte gedacht, da gäbe es wenig Grund zum Zweifeln.
»Nuun, er hatte sicherlich ein paar Ausraster, da stimme ich Ihnen zu. Aber ich hatte immer das Gefüühl, dass Nicholas eher Unrecht zuugefügt wurde, als dass er selber Unrechtes getaan hätte, ehrlich gesagt. Wenn man die Umstände bedenkt. Sie wissen schoon.«
Michael wusste es nicht. »Mr Creal hat mir aber einen anderen Eindruck vermittelt«, sagte er.
Mrs Batts rutschte unruhig auf ihrem Stuhl herum. Manchmal beschlich sie das Gefühl, Tony Creal sagte ihr nicht alles – sicherlich, um sie vor der Wahrheit zu schützen. Sie wusste, dass einige der Jungen ziemlich unappetitliche Dinge taten.
»Mr Creal kennt ihn natürlich besser als iich«, betonte sie. »Vielleicht bin ich einfach ein bisschen zu naachsichtig«, fügte sie hinzu.
Merkwürdig, sehr merkwürdig, dachte Michael. So merkwürdig, dass er neugierig wurde und noch einige Fragen stellte. Er fand schnell heraus, dass es seit zwei Monaten keine Spur von dem Jungen gab.
»Na, da haben Sie sich aber Zeit gelassen, mir das mitzuteilen«, sagte Michael.
»Ich habe viel zu tun, Mr Moberley. Mein Gespräch mit Ihnen ist reines Entgegenkommen.«
»Ach so. Und es hat niemand was von ihm gehört? Was ist denn mit der Frau, die seine Mutter kannte, wiehießsienochmal?«
»Ach, Mrs Hayes, jaa. Nun, sie behauptet natürlich, sie hätte ihn nicht gesehen. Haat sie aber. Diese Leute scheinen einfach nicht begreifen zu wollen, dass wiir dazu daa sind, ihnen zu helfen. Die Erziehung zu soziaalem Verhaalten ist eine unserer wichtigsten Aufgaben.«
»Richtig.« Michael hatte bereits genug gehört, um zu dem Schluss zu kommen, dass nicht nur die eine Seite solche Erziehung nötig hätte. »Könnten Sie mir ihre Nummer besorgen? Ich würde mich gerne mit ihr in Verbindung setzen, ein bisschen mit ihr plaudern, Sie wissen schon …«
Am anderen Ende der Leitung zog Mrs Batts einen Flunsch. Das war etwas, das sie wirklich nicht leiden konnte: wenn ihre Klientel hinter ihrem Rücken zu mauscheln anfing.
»Tut mir leid, aber daas geht nicht«, sagte sie glatt. »Daatenschutz, tut mir leid.«
Schließlich ließ sie sich darauf ein, Post von Michael an Jenny weiterzuleiten. Zumindest konnte er auf diese Weise Kontakt zu Mrs Hayes aufnehmen. Und das wollte er auch unbedingt tun. Wenn er ihre Nummer bekommen hätte, hätte er sie gleich angerufen. Aber er bekam sie nicht. Also legte er den Brief von Mrs Batts auf den Tisch und ging schwimmen. In den nächsten Tagen verschob er die Sache immer wieder. Aus den Tagen wurden Wochen, und er kam einfach nicht dazu, einen Brief an Jenny zu schreiben. Dann fuhr er nach Spanien und ließ all seine Sorgen zu Hause.
25
Der berüchtigte Jones
Sonnschein kaufte Nick nicht nur das Diebesgut ab, er hatte auch andere kleine Jobs für ihn. Zum Beispiel schickte er ihn runter zum Einkaufen oder er ließ ihn in ganz Manchester Briefe oder Päckchen austragen. Sonnschein hatte gern einen Jungen zur Verfügung, dem er trauen konnte. Nick war still, clever und vertrauenswürdig und zudem ausgesprochen froh, im Tausch für eine Bleibe Sonnscheins inoffzieller Dienstbote sein zu dürfen.
Trotzdem musste Nick vorsichtig sein – Sonnschein war sein Territorium heilig und er wurde nervös, wenn er das Gefühl bekam, es wären zu viele Leute um ihn herum. Da aber das Gebäude baufällig war und viele Räume leer standen, gab es genügend Ausweichmöglichkeiten. Nick fand ein kleines Zimmer, das vom Korridor abging, und stattete es nach und nach mit Kissen und Teppichstücken aus, die er aus Sonnscheins Räumen abzweigte, dazu besorgte er sich einen
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