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Nicholas Dane (German Edition)

Nicholas Dane (German Edition)

Titel: Nicholas Dane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melvin Burgess
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Wasserkessel, ein Radio und diverse andere Dinge. In dem Zimmer verbrachte er den Großteil seiner freien Zeit, lag auf einer alten Matratze auf dem Rücken, starrte an die Decke und war einsam. Es war schrecklich für ihn, dass er so viel Zeit hatte, aber nichts zu tun. Er dachte viel nach – über seine Mutter, nach der er sich auf einmal fürchterlich sehnte, über Meadow Hill und natürlich über Oliver. Das Schicksal dieses kleinen wuschelhaarigen Jungen beschäftigte Nick immer wieder. Er hatte das Gefühl, ihn im Stich gelassen zu haben. Er hatte versprochen, ihn mitzunehmen, und hatte dann zugelassen, dass er geschnappt wurde. Und das Schlimmste war, dass er die Fotos verloren hatte, die Oliver ihm anvertraut hatte.
    Dann, ein paar Wochen nach ihrer Flucht, hörten sie etwas von Oliver. Davey war schon so oft im Leben in Heimen gewesen und kannte so viele Leute, dass es nur eine Frage der Zeit gewesen war, bis er jemandem begegnete, den er aus Meadow Hill kannte. Dort war Oliver offenbar nicht mehr. Er war zunächst in die Arrestzelle gesperrt worden, aber danach war er einfach verschwunden. Niemand hatte ihn gesehen. Man munkelte, er hätte noch einen Fluchtversuch gewagt und wäre entkommen.
    Nick war glücklich. Wieder hatte er Oliver unterschätzt. Aber wenn es stimmte, wenn er wirklich draußen war, wo war er jetzt?
    Nick nutzte nun seine freie Zeit für die Suche nach seinem Freund, aber Manchester ist groß, und Nick hatte kaum Anhaltspunkte. Oliver hatte ihm nie erzählt, wo er herkam – er schien immer im Heim gewesen zu sein. Nick war sicher, Oliver hatte mitbekommen, dass er aus Ancoats war; deshalb hielt er immer, wenn er in seinem alten Viertel unterwegs war, die Augen offen und fragte alle seine Bekannten, ob ihnen ein blonder Junge begegnet sei, der auf der Straße lebe. Aber niemand hatte ihn gesehen. Eine andere Möglichkeit war die Canal Street. Oliver hatte ja rumgealbert, dass er sich dort verkaufen könnte. Nick trieb sich eine Weile lang in der Gegend rum, zu allen möglichen Tages- und Nachtzeiten. Er fragte und fragte, bis die Leute ihn satthatten. Aber auch hier: kein Zeichen von Oliver. Wenn Oliver hier gewesen sein sollte, dann war er längst weg. Schließlich kam Nick zu dem Schluss, dass Oliver womöglich wieder gefasst worden war, Creal ihn aber weggeschickt hatte, weil er nichts mehr von ihm wissen wollte.
    Nick hoffte nur, dass Oliver nicht allzu schwer bestraft worden war – obwohl das natürlich sehr unwahrscheinlich war. Aber wenn er in einem anderen Heim war, konnte es gut sein, dass es ihm dort besser ging als in Meadow Hill, laut Davey dem übelsten Heim überhaupt.
    Nick bat auch Davey, sich nach Oliver zu erkunden, aber obwohl Davey jede Menge Kinder und Jugendliche aus Heimen in und um Manchester traf, fand er nichts mehr über Oliver heraus. Oliver war einfach verschwunden.
    »Vielleicht ist er irgendwo in Cheshire«, meinte Davey. Und das war’s dann. Es verging nicht ein Tag, an dem Nick nicht an seinen Freund dachte, aber Oliver schien vom Erdboden verschluckt worden zu sein.
    Nick langweilte sich meistens. Davey blieb ein paarmal die Woche über Nacht bei ihm, aber er hatte einen so großen Bekanntenkreis, dass er immer mal hier und mal dort war. Red hingegen sah Nick fast täglich – auch sie war nicht gern alleine, und da Sonnschein viel unterwegs war, kam sie oft zu ihm oder rief ihn zum Essen zu sich. Aber das reichte Nick nicht. Ihm gingen so viele traurige Dinge im Kopf herum, dass er gerne etwas zu tun gehabt hätte – was auch immer –, um sich von diesen Gedanken abzulenken. Aber es gab einfach nichts.
    In den verbleibenden Sommertagen ging er öfter nach Ancoats zu seinen alten Freunden, aber er merkte, dass sie kaum noch Gemeinsamkeiten hatten. Im September begannen die Vorbereitungen für die Schulabschlüsse, aber das war unvorstellbar weit von Nicks Realität entfernt. Er beneidete seine Freunde. Er beneidete sie um die Schule! Das hätte er sich nie träumen lassen. Und schon bald hatte er keine Lust mehr, sich mit ihnen zu treffen.
    Er merkte, dass er nur noch für die Nächte lebte, in denen er mit Davey durch die Straßen stromerte und nach offenen Autos oder Häusern Ausschau hielt. Manchmal zogen die Leute die Haustür nicht richtig hinter sich zu oder sie ließen die Schlüssel stecken oder die Kinder ließen die Tür offen … Dann konnten sie hineinschleichen und sich bedienen. Sie machten ziemlich fette Beute. Sonnschein

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