Nicholas Dane (German Edition)
kaufte ihnen fast alles ab – Kameras, Radios, Lederjacken, was auch immer. Eigentlich sollte das Zeug verkauft werden, doch oft genug landete es in Kartons bei den anderen Sachen auf dem Dachboden. Das einzige Problem war, dass Sonnschein ihnen nie so viel Geld gab, wie sie sich ausgerechnet hatten.
Davey wurde oft wütend.
»Einen Zehner? Im Arndale Shopping Center kostet so eine Jacke über hundert Pfund«, moserte er.
»Gestohlenes Zeug bringt nich viel«, erwiderte Sonnschein bedauernd und schüttelte den Kopf. »Ich tu das bloß für euch. Du weißt doch, womit ich mein Geld verdiene.«
Davey maulte und quengelte, aber immerhin gab es bei Sonnschein Essen, dazu ein gutes Taschengeld und eine sichere Unterkunft. Also hatten sie eigentlich kaum Grund zur Klage.
Sonnschein handelte mit Marihuana, Ganja, wie er es nannte. Manchmal kamen Leute zu ihm in die Wohnung, um etwas zu kaufen, aber das mochte Sonnschein nicht so gern, es sei denn, es waren alte Freunde. Er wollte nicht auf sich aufmerksam machen. Nachts war er meist unterwegs und dealte. Er verließ das Haus nie vor zehn Uhr abends und kam nie vor dem frühen Morgen zurück. In der Zeit verkaufte er sein Zeug an diverse Kunden – und er besuchte seine anderen Frauen. Ziemlich bald war Nick auch in den Marihuana-Handel eingebunden. Zunächst lieferte er in ganz Manchester versiegelte Tütchen mit Ganja aus, später dann größere Mengen, in Frischhaltefolie verpackt. Nick sammelte bis zu tausend Pfund ein. Er stopfte sich das Geld in die Hose und lieferte es bei Sonnschein ab.
Mit anderen Drogen handelte Sonnschein nicht.
»Pillen und Pulver sind nich natürlich, Mahn«, rief er, als einer seiner Kunden Speed haben wollte. »Und ich, ich bin ein Mahn der Natur. Ich diene der Menschheit. Unser Ganja hat beste Qualität, das ist allererste Güte. Macht die Lungen frei und erhellt den Geist. Ein bekiffter Mahn ist Gott nah, aber Speed ist Teufelszeug, Mahn!«
Er behauptete gerne, er sei ein Rastafari aus Jamaika, aber Red zufolge war er in Bolton geboren und aufgewachsen.
»Der is erst Jamaikaner, seit Bob Marley berühmt wurde«, sagte sie. Und sie hatte Recht, denn wenn Sonnschein aufgeregt oder wütend war, dann verschwand sein jamaikanischer Akzent und er klang tatsächlich wie jemand aus Bolton.
Obwohl Sonnschein jede Nacht andere Frauen besuchte, vergötterte er Red. Er schenkte ihr unablässig Kleider oder Schmuck oder andere Dinge und er konnte die Augen nicht von ihr lassen. Manchmal saß er einfach nur da und guckte sie an, als wäre sie reiner Honig.
»Was?«, sagte sie, wenn sie das spürte, und wandte sich zu ihm um. Sonnschein schüttelte dann nur den Kopf und bat sie um irgendetwas – was zu kochen, ein Bier zu holen oder sich einfach neben ihn zu setzen und ihn zu wärmen. Er war mehr als doppelt so alt wie sie – sie war achtzehn und er schon weit über vierzig. Nick hatte allerdings das Gefühl, sie liebte ihn nicht so wie er sie. Vielleicht war das der Grund, warum sie so oft Streit hatten. Ständiger Stein des Anstoßes waren die anderen Frauen. Und es gab Streit, weil Sonnschein Stella nicht alleine rauslassen wollte. Stella war auch eifersüchtig, aber lange nicht so wie er – und er hatte dazu auch allen Grund.
Es war an einem feuchten Nachmittag im Oktober. Seit Tagen hatte es geregnet, das Dach über Sonnscheins Wohnung leckte an mehreren Stellen und auf dem Fußboden standen Töpfe und Pfannen, um die Tropfen aufzufangen. Dazu war es eiskalt – man hätte die ganze Bude in Brand stecken müssen, um sie einigermaßen warm zu bekommen. Die Kälte drang durch die Löcher im Dach und pfiff durch die Dielen. Nur in Sonnscheins Schlafzimmer war es schön warm. Sonnschein hatte einen Haufen Decken im Bett und Decken vor der Tür, er hatte die Fenster zugehängt, im Ofen brannte ein riesiges Feuer und dazu lief ein Gasheizgerät. Sonnschein hielt sich ausschließlich in seinem Zimmer auf und schwamm auf einem Floß aus Kissen und Ganja und Reggae durch das kalte Wetter. Gegen Mitternacht verließ er meist das Haus und drehte seine Runden. Manchmal war er die ganze Nacht unterwegs, sehr zum Ärger von Stella. Dann blieb er offenbar bei einer seiner Freundinnen, wo es einigermaßen gemütlich war.
Für Nick und Davey gab es jedoch kein Entkommen. Alle Räume waren eisig, und ihnen wurde einfach nicht warm. Red verbrachte den größten Teil des Tages im Bett mit Sonnschein, aber wenn er am frühen Morgen nicht auftauchte,
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