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Nicholas Dane (German Edition)

Nicholas Dane (German Edition)

Titel: Nicholas Dane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melvin Burgess
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abzubringen, führten jedes Mal zu besorgniserregenden Entzugserscheinungen, woraufhin er ihr noch mehr Valium gab und das machte alles nur schlimmer. So sorgte er unwissentlich dafür, dass sie sich ständig in einem Zustand von Angst und Depression befand, von dem sie sich schon vor Jahren von allein erholt hätte, wenn sie einfach in Ruhe gelassen worden wäre.
    Bill James schluckte selbst ein paar Pillen und zog sich die Hosen aus – was für eine Erleichterung! Der Gürtel, der unter seinem Pullover versteckt war, schnürte ihn ein. Dann ging er nach unten, um Mittag zu machen. Würstchen. In Northenden gab es einen guten Fleischer, bei dem er die Würstchen kaufte – und zwar mehrere Pfund in der Woche. Er briet immer welche für Janice mit, obwohl sie an Tagen wie diesem selten mehr als ein oder zwei Stück aß. Was übrig war, würde dann wahrscheinlich er verspeisen.
    Er stand am Herd, ein fetter Mann ohne Hosen, und briet Würstchen. Dann trug er das Tablett mit den Würstchen und dem Tee langsam die Treppe hinauf; sie schaffte zwei, er aß den Rest und legte sich zu seiner Geliebten ins Bett. Er umarmte sie von hinten. Ihre Hand suchte seine. Eng umschlungen, Rücken an Bauch schliefen sie ein. Trotz aller Pillen, aller Enttäuschungen, all der Jahre waren sie einander immer noch in Liebe zugetan.
    Zur selben Zeit, als der Heimleiter sich in sein Haus begab, führte der blonde Junge Nick über eine zertrampelte Rasenfläche zu einem quadratischen Backsteingebäude, das – hundert Meter vom Haupthaus entfernt – zwischen Bäumen versteckt stand. Nick war einen guten Kopf größer als der jüngere Oliver, der ihm voranhüpfte. Sein blondes Haar wiegte sich in dem sanften Wind wie ein flauschiger Samenstand, der über die Erde geweht wurde.
    »Weshalb bist du hier?«, fragte Nick.
    »Scheißmutter«, sagte Oliver. »Und du?«
    »Tote Mutter«, sagte Nick. Oliver blickte Nick schräg an. Nick prustete, der blonde Junge kicherte und plötzlich lachten beide. Nick wäre am liebsten stehen geblieben, um ein bisschen zu quatschen, aber der andere Junge ging weiter, also musste Nick hinterher.
    »Irgendwer guckt immer«, erklärte Oliver.
    »Wieso bist du nicht in der Schule?«, fragte Nick. Oliver guckte ihn noch mal von der Seite an. »Bin freigestellt«, sagte er.
    »Wieso?«
    »Weil ich Sachen für Mr Creal erledige.«
    »Das ist doch gut.«
    Oliver antwortete nicht. »Wie ist es hier?«, fragte Nick.
    »Verdammt beschissen.«
    Nick wollte wieder lachen, aber der Junge zuckte die Achseln und lächelte matt. »Tu einfach, was dir gesagt wird, und dann wird’s schon gehen«, sagte er.
    Nick zog eine Grimasse. Zu tun, was ihm gesagt wurde, war nicht gerade seine Stärke.
    Die Jungen kamen zur Eingangstür eines kleineren Gebäudes, das an das große Backsteinhaus anschloss. Oliver machte kurz halt. »Die schlagen dich wie einen Mann«, erklärte er. Er warf Nick einen kurzen Blick zu, dann wandte er sich ab und klopfte.
    Es dauerte sehr, sehr lange, bis die Tür von einem fast kahlköpfigen Mann geöffnet wurde. Er war klein, so dass er ihnen direkt in die Augen sehen konnte, aber kräftig. Er hatte eine Flasche Milch in der Hand und blickte die beiden Jungen fragend an.
    »Ein Neuer, Sir«, sagte Oliver.
    Der kurz geratene Mann musterte Nick und reckte sein Kinn.
    »Nicholas Dane«, sagte Nick, weil er dachte, der Mann wollte das wissen.
    Auf dem Gesicht des kurzen Mannes zeichnete sich ein Ausdruck äußerster Überraschung ab. »Ach! Wir sind Freunde, ja? Jetzt schon? Wie schön. Möchtest du reinkommen und fernsehen, Nick? Und später dann ein Bier, mein Junge?« Er lächelte düster und schob sein Gesicht ganz nah an Nicks heran. »Und was meinst du, wie ich heiße, Dane?«
    »Sir«, vermutete Nick.
    Der kurze Mann nickte. »Und vergiss das nicht. Bring ihn zu Mrs Stanton, die soll ihm sein Zeug geben, Brown«, sagte er und blickte immer noch Nick an, obwohl er offensichtlich mit Oliver sprach. »Zeig ihm, wo’s langgeht.«
    »Ja, Sir.«
    Mr Toms nickte und schlenderte zurück ins Haus. Nick merkte, dass er die Luft angehalten hatte, und atmete aus.
    »Mann. Wie ist denn der drauf?«
    »So ist der immer«, sagte Oliver. »Wahrscheinlich hat er Verstopfung«, fügte er hinzu. Nick blickte ihn überrascht an und lachte. Oliver hatte Sinn für Humor – vielleicht würde er ihn mögen.
    Nick folgte Oliver in das große Backsteingebäude hinein.
    Das Erdgeschoss bestand aus einem großen Raum, der

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