Nicholas Dane (German Edition)
durch eine faltbare Wand zweigeteilt war. Hier konnten jeweils fünfzehn Jungen essen, fernsehen, Schuhe putzen, Spiele spielen, ihre Freizeit verbringen. Zu bestimmten Gelegenheiten wurde die Wand aufgezogen, so dass ein großer Raum daraus wurde. Hinter einer Tür im hinteren Teil des Gebäudes führte eine Treppe hinauf zu einem Flur, der sich über die ganze Länge des ersten Stocks erstreckte. Es gab zwei Badezimmer, für jede Gruppe eines, mit je drei Badewannen und separaten Toiletten. Rechts und links des Korridors lagen die Schlafräume mit je fünf oder sechs Betten. Im Flur stank es nach Urin und Desinfektionsmitteln.
Jede Gruppe wurde von einem Paar Hauseltern betreut, deren Wohnungen rechts und links an das Gebäude anschlossen. Nick hatte Mr und Mrs Toms erwischt. Die Aufgabe der Hauseltern bestand darin, die Jungen außerhalb der Schulzeiten zu beaufsichtigen – ihre Freizeitaktivitäten zu organisieren, sie zur Disziplin anzuhalten, sich um ihre Probleme und ihr Wohlbefinden zu kümmern. An der Rückseite des Gebäudes befand sich noch eine Wohnung, dort wohnte ein Hausmeister-Ehepaar, welches das Gebäude in Schuss hielt und sich um Dinge wie Wäsche und andere praktische Fragen kümmerte.
Auf dem ganzen Gelände gab es drei solche Häuser, dazu das Haupthaus. Dort wohnte eine weitere Gruppe Jungen, dort war die Verwaltung untergebracht und dort befand sich die Wohnung des stellvertretenden Heimleiters Mr Creal. Zudem gab es ein kleines Schulgebäude, in dem ausschließlich die Jungen von Meadow Hill unterrichtet wurden.
Oliver führte Nick zur Rückseite des Gebäudes, zur Wohnung der Stantons, des Hausmeisterpaares. Mrs Stanton gab Nick seine Schuluniform, die dazugehörigen Schuhe und Bettzeug.
»Bist du Bettnässer?«, fragte sie.
Nick glotzte sie an. »Ich bin vierzehn«, sagte er.
Mrs Stanton warf ihm einen müden Blick zu. »Sag es lieber gleich. Wenn du die Matratze einnässt, bekommst du es mit Mr Toms zu tun.« Nick schaute sie nur an. »Dafür muss sich keiner schämen, du wirst dich wundern, wie viele Jungen hier ins Bett machen«, sagte sie. Nick schüttelte den Kopf und erinnerte sich an den Gestank nach Pisse und Desinfektionsmitteln oben auf dem Korridor.
»An einem Ort wie diesem bleibt nichts verborgen«, sagte sie und machte die Schranktüren zu. »Also gut – was brauchst du sonst noch?«, wollte sie wissen.
»Was zu essen?«, sagte Nick sofort.
Mrs Stanton sah überrascht aus, aber sie ging in die Wohnung und kam kurz darauf mit zwei Klappstullen zurück. »Ist Marmelade drauf«, sagte sie und gab jedem Jungen eine. »Essen gibt’s in einer Stunde, das hier ist von mir privat.«
Nick bedankte sich. Mrs Stanton schaute beide Jungen einen Moment lang an, dann fragte sie Oliver: »Wo wollt ihr hin?«
»Nach drinnen, auf die anderen warten.«
»Na, dann ab mit euch«, sagte sie. Oliver ging voran, zu dem großen Gebäude, und dort stellten sie sich in den Eingang und aßen ihre Brote. Danach war Nick noch immer sehr hungrig. Er kramte in seiner Tasche. Er hatte immer noch ein Pfund von dem Geld, das er von Jennys Fensterbrett genommen hatte.
»Gibt’s hier ’n Laden?«, fragte er.
Oliver starrte ihn an und schüttelte den Kopf.
»Wir dürfen das Gelände nicht verlassen«, sagte er.
»Sieht doch keiner«, sagte Nick. Oliver hob die Hände, als wollte er sagen, so etwas würde nur ein Verrückter versuchen. Nick zuckte die Achseln. Er hielt Oliver trotz seines humorvollen Wesens eher für einen Schwächling. Also gingen sie nach oben. Oliver zeigte ihm seinen Wasch- und Schlafraum und den Schrank auf dem Flur, in dem er seine Schuluniform und anderen Kram verstauen konnte.
»Warum nicht in den Schlafräumen?«, fragte Nick.
»Damit die Leute nachts nicht an ihre Sachen gehen«, sagte Oliver.
»Das ist ja hier wie ein Hundezwinger«, sagte Nick. »Wie oft gehen sie mit uns Gassi?«
»Wir dürfen nicht raus«, antwortete Oliver. Nick blickte ihn scharf an, Oliver hielt seinem Blick stand. Nick befand sich am Beginn einer sehr steilen Kurve der Erkenntnis.
Sie hingen noch ein bisschen rum, ohne so recht zu wissen, was sie tun sollten. In dem großen Raum im Erdgeschoss stand ein riesiger Fernseher, aber der wurde erst nach der Schule angestellt. Nick bat Oliver, ihm draußen das Gelände zu zeigen, aber das wollte Oliver nicht.
»Wir dürfen nur raus, wenn Aufsichtsschüler dabei sind«, erklärte er.
Doch dann führte Oliver Nick die Treppe hinunter und
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