Nicholas Dane (German Edition)
Case«, sagte Davey. »Ich kenn den, der is okay.« Davey nickte den anderen beiden Jungen zu, die sein Nicken erwiderten. Nick tat es ihnen nach, als gehörte er dazu. Sie sahen zwar nicht so aus, als fänden sie das sonderlich gut, aber sie hielten sich zurück.
»Und – wieso bist du hier drinne?«, fragte Davey. »Wo du so ’ne tolle Mutter hast und alles?«
»So toll ist die gar nicht«, meinte Nick, aber Davey nahm ihm das nicht ab. Also sagte Nick es ihm.
»Sie ist gestorben. Überdosis Heroin.«
»Nee! Heroin? Die?«
»Ich wusste auch nix davon. Komm nach Hause, und das Jugendamt sitzt im Wohnzimmer. Ich hab keine Verwandten – und das war’s dann.«
»Scheiße. Hätt ich nie gedacht! Nick Dane im Heim. Scheiße. Und ich bin hier, weil meine Schwester gestorben ist, glaub ich jedenfalls.«
Nick kannte Daveys Schwester Kath. Alle O’Brians steckten immer zusammen, aber Davey und Kath waren unzertrennlich gewesen. Kath war ein paar Jahre jünger als Davey und Nick, aber sie wollte immer bei allem mitmachen, was sie anstellten. Davey hatte das total genervt, denn wenn sie erwischt wurde, würde er den Ärger kriegen. Aber sie wurde nie erwischt. Sie konnte so schnell abtauchen, dass niemand sie zu fassen bekam. Manchmal flitzte sie einfach in einen Laden, rannte durch die Reihen, nahm sich, was sie wollte, und raste dann wieder raus. Die Angestellten jagten ihr zwar hinterher, doch sie stolperten nur über die eigenen Beine oder übereinander und bekamen Kath nie zu fassen.
Und sie hatte eine blühende Fantasie, sie dachte sich immer irgendwas aus.
»Guckt mal, der Mann da drüben«, sagte sie zum Beispiel und zeigte auf irgendjemanden im Park oder auf der Straße. »Ey, das is ’n Mörder, ganz bestimmt.«
»Woher willste das denn wissen?«, sagte dann Davey.
»Das fühle ich, der strahlt das aus. Guck doch mal dem seine Augen. Wie cool der guckt. Wenn man den so auf der Straße trifft, merkt man dem das gar nich an, stimmt’s?«
Und sobald sie das ausgesprochen hatte, war Nick felsenfest davon überzeugt, dass dieser Mann seine Frau oder seine Töchter getötet oder sonst was Schlimmes getan hatte.
»Er hat uns gesehen! Los, abhauen!«, schrie sie dann. Und die drei rasten los und kreischten vor Lachen und vor Angst. Kath war echt gut im Geschichtenerfinden.
Davey erzählte, wie sie gestorben war. Auf dem Weg in die Innenstadt waren sie an ein paar Wohnblocks vorbeigekommen, den Gloriana Buildings, waren reingegangen und Fahrstuhl gefahren. Sie entdeckten, dass man den Fahrstuhl zwischen den Stockwerken anhalten konnte. Wenn man seinen Fuß während der Fahrt in den Spalt zwischen den beiden Flügeln der Fahrstuhltür drückte, schaltete sich automatisch das Sicherheitssystem ein und brachte den Fahrstuhl zum Stehen. Man konnte die Tür aufdrücken und auf den Fahrstuhl raufklettern. Es war nicht schwierig und auch nicht gefährlich, denn zwischen dem atemberaubenden, schrecklichen Abgrund bis in den Keller hinunter und einem selbst befand sich ja der Fahrstuhl. Das Tolle war, dass oben auf dem Fahrstuhl noch ein Bedienungsfeld war. Wenn man das aktivierte, konnte man den Fahrstuhl von dort oben dirigieren.
»Das hätte dir gefallen«, sagte Davey. »Wir haben immer gewartet, bis jemand drin war, und den ham wir dann nich mehr rausgelassen. Der Fahrstuhl hat gemacht, was wir wollten – also, hat in einem andern Stockwerk angehalten, als gedrückt war, oder zwischen den Stockwerken, was auch immer. Die Leute drinne sind bald ausgetickt! Einmal haben wir so ’ne alte Tucke über eine Stunde lang festgehalten. Die hat auf den Boden gepisst. Als wir sie rauslassen und jemand anders einsteigt, rümpft sie die Nase und behauptet, das waren Kinder. Blöde Schrulle, die hat’s echt verdient.«
Aber eines Tages geschah ein Unglück. Davey war innen im Fahrstuhl und Kath obendrauf, so dass er nicht sehen konnte, was genau passierte. Irgendwas hatte sie erwischt – vielleicht die Gewichte, Davey merkte jedenfalls nichts. Als er nach oben guckte und das Blut von der Fahrstuhldecke tropfen sah, war seine geliebte kleine Kath schon tot.
Und zu allem Übel gaben seine Eltern ihm die Schuld. »Wie mein Dad nach Hause kommt, schlägt der mich mit’m Lederriemen halb tot. Eine Woche später ham se mich ins Heim gesteckt. Und seitdem bin ich nich wieder raus.«
»Vielleicht haben die bloß gedacht, deine Mum hätte sich wieder mal nicht richtig um euch gekümmert.«
Nick bedauerte sofort, was
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