Nicholas Dane (German Edition)
nutzen sollte, um an seine Mutter zu denken, aber das schaffte er nicht. Das Wasser war einfach zu warm … es war wie ein Rausch.
Als er die Augen wieder öffnete, stand Tony Creal neben der Wanne, etwas zum Anziehen über dem Arm.
»Ich hab schon gedacht, du wärst ertrunken – du hast nicht geantwortet«, sagte er. Er legte die Sachen auf einen Stuhl. »Das sind deine Klamotten – ich hab sie von Mrs Batts. Essen ist fertig. Ich habe dein anderes Zeug in die Wäsche getan. Komm, sonst wird alles kalt.«
Nick verbrachte einige Stunden in Mr Creals Wohnung. Mr Creal versorgte Nicks Wunden, desinfizierte sie mit Jod. Er meinte, er habe Erste Hilfe gelernt und könne das besser als die Krankenschwester des Heims, die sehr nett sei, aber nicht wirklich ausgebildet. Er servierte Nick ein Steak und Backofen-Fritten und Eis und Cola, setzte ihn nach dem Essen vor den Fernseher und ließ ihn eine Stunde schlafen.
Um drei weckte er Nick. Es war Zeit zu gehen: »Sonst beschwert sich Mr Toms und wir bekommen beide Ärger.« Er bot Nick noch ein Sandwich an. Nick aß es, trank dazu etwas Milch, und Mr Creal sprach mit Nick über seine Lage.
»Also, wir müssen dafür sorgen, dass du hier rauskommst, Nick«, erklärte er. Er wusste, dass Mrs Batts inzwischen mit Nicks Verwandten in Australien Kontakt aufgenommen und Muriels Mutter, seine Großmutter, gefunden hatte. Aber die habe sofort erklärt, dass sie mit Nick nichts zu tun haben wolle.
»Ich habe meine Tochter zwanzig Jahre lang nicht gesehen. Was soll ich mich um ihre Brut kümmern?«, habe sie gesagt.
Sonst komme nur noch ein Großonkel in Frage, der von Maggies Pasteten . Mrs Batts habe schon einen Brief an die Firma geschrieben, der offenbar auch an ihn weitergeleitet worden sei. Ihr sei eine persönliche Antwort versprochen worden.
»Das wäre gut«, sagte Mr Creal. » Maggies Pasteten gibt’s überall. Du wärst reich.«
Nick glaubte nicht daran. »Was ist denn mit Jenny?«, fragte er. »Die wollte mich doch aufnehmen.« Darüber hatte er oft nachgedacht. Erst war es ihm schrecklich vorgekommen. Jetzt aber erschien es ihm wie der Himmel auf Erden.
Mr Creal nickte: »Mrs Hayes hat sich keinen Gefallen getan, als sie Mrs Batts zum Essen eingeladen hat. Aber Mrs Batts ist nicht dumm, sie hat schon verstanden, dass es sich eher um einen Fall von zu viel als von zu wenig Mühe handelte. Mrs Batts war zunächst der Meinung, eine Unterbringung bei Mrs Hayes wäre keine besonders gute Option, aber im Moment überlegt sie, ob es nicht vielleicht doch die beste Lösung wäre. Mrs Hayes – Jenny – ruft offenbar ständig an und will dich zurückholen. Aber solche Dinge brauchen Zeit. Du steckst jetzt im System. Jenny ist keine Verwandte von dir. Es gibt bestimmte Verfahrensregeln, Formulare und so weiter. Ausschüsse. Die Entscheidung liegt nicht bei einer Einzelperson. Mrs Hayes hat den erforderlichen Weg eingeschlagen, aber es wird dauern. Und, Nick – ich will ehrlich sein –, es gibt keine Garantie, dass sie Erfolg haben wird.«
Nick sah so bedrückt aus, dass Mr Creal ihm sachte die Hand auf den Rücken legte. »Aber das bedeutet nicht, dass es gar nicht geht, nur … mach dir lieber nicht allzu große Hoffnungen. Wir können dir aber einen Besuch bei Jenny ermöglichen. Besuche hier im Heim sind nicht gestattet, aber du könntest vielleicht Ausgang bekommen und ein Wochenende bei ihr verbringen. Würde dir das gefallen?«
Nick brachte kein Wort heraus. Er nickte.
»Du weißt, wie das läuft mit dem Ausgang?«
Das wusste Nick. Es gab ein Punktesystem. Wer drei Punkte hatte, durfte ein Wochenende im Monat nach Hause. Sechs Punkte: zwei Wochenenden. Neun: drei Wochenenden, und wer die Höchstzahl bekam – zwölf –, durfte jedes Wochenende nach Hause. Nick hatte natürlich keinen einzigen Punkt.
»Wenn’s nach Toms ginge, hätte ich Minuspunkte«, klagte er.
Mr Creal nickte bitter. »Also gut, ich gebe dir jetzt sofort drei Punkte. Wenn du es schaffst, die zu behalten, wirst du in drei Wochen Ausgang haben. Mehr kann ich nicht für dich tun. Wenn ich mich zu sehr für dich einsetze, wird sich Mr Toms bei Mr James beschweren, und dann kriege ich Ärger. Mr James könnte denken, ich bevorzuge einzelne Kinder, und so etwas schätzt er überhaupt nicht. Und das ist auch richtig so, denke ich. Trotzdem. Besser als gar nichts, nehme ich an.«
Drei Wochen – das war noch ewig hin. »Bis dahin bin ich tot«, krächzte Nick. Mr Creal lachte und
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