Nicholas Dane (German Edition)
ihnen Poker bei und war damit hochzufrieden und ausgesprochen glücklich. Es machte allen Spaß. Die Stapel mit den Münzen wurden größer und kleiner, und für kurze Zeit konnte man vergessen, wo man war.
Als sich der Abend dem Ende neigte, ging Nick davon aus, dass er wieder früher zurückgeschickt werden würde, aber diesmal waren es Oliver und Flynn, die gehen mussten, und er wurde gebeten zu bleiben.
»Du hast doch nichts dagegen, Nick, oder?«, fragte Mr Creal. »Wir beide haben noch was zu bereden.«
Das klang unheilvoll. Nick setzte sich aufs Sofa und blickte Flynn und Oliver hinterher. Oliver drehte sich noch einmal um und guckte Nick mit einem eigenartigen Ausdruck im Gesicht an. Ihre Blicke verschränkten sich kurz, dann schaute Oliver zu Mr Creal hoch, der hinter ihm stand. Einen Moment lang war sich Nick sicher, dass sich da irgendetwas abspielte zwischen den beiden, aber dann war der Moment vorbei. Oliver zog die Tür hinter sich zu.
»Jetzt sind nur noch wir beide übrig, was?« Mr Creal setzte sich neben Nick aufs Sofa. Seine Stimme klang komisch. Er rutschte ein bisschen zu nah heran. Nick roch sein Rasierwasser, das Waschmittel an seiner Kleidung, den Zigarettenrauch in seinem Atem. Er rückte etwas ab.
Mr Creal nahm eine Zigarette aus der Tasche und zündete sie an. Er wirkte nervös. »Ich muss dir was mitteilen, Nick«, sagte er leise. »Und leider ist es nicht besonders schön.« Er verzog das Gesicht.
»Sir?«, fragte Nick.
»Ich habe einen Anruf von einem Verwandten von dir bekommen. Aus der Pastetenecke, wie Mrs Batts zu sagen pflegt. Die wollen dich nicht. Ich weiß, du wirst enttäuscht sein, aber wirklich überraschend ist das nicht.« Er hielt inne und zuckte verständnisvoll mit den Schultern. »Tut mir leid, Nick. Da ist nichts zu machen.«
»Aber was ist mit Jenny … Mrs Hayes? Zu der kann ich doch noch immer, oder?«
Mr Creal hielt seine Zigarette sehr nah am Gesicht und legte bedauernd den Kopf zur Seite. »Das sieht auch nicht so richtig gut aus, Nick. Du weißt doch, dass Mrs Batts ihre Zweifel hatte. Kein Mann im Haus und so. Und mit ihren beiden eigenen Kindern hat Mrs Hayes schon genug am Hals. Der kleine Junge hat Probleme … das Mädchen ist sehr eigenwillig, hat Ärger in der Schule. Das Jugendamt hat sich letztlich dagegen entschieden.«
Nick starrte ihn an. »Aber Sie haben doch …«
»Ich weiß! Ich weiß! Ich habe mir ja selber große Hoffnungen gemacht. Ich wusste nicht, dass ihre Kinder so labil sind. Mrs Batts hat gestern ihre Stellungnahme abgegeben. Eine Ablehnung.«
Nick konnte es nicht fassen. Irgendwie war er der festen Überzeugung gewesen, dass das nicht passieren würde. Sollte er einfach hierbleiben, in Meadow Hill? Ohne Mutter, ohne jemanden, der sich um ihn kümmerte? Einfach hier eingesperrt bleiben und rumgeschubst werden, bis er sechzehn war, und dann mit einem Tritt auf die Straße entlassen werden?
»Dann … dann muss ich also hierbleiben?«, fragte er.
Mr Creal legte seinen Arm um Nicks Schultern. »Ich weiß, Nick«, sagte er, »wie schwer das ist. Doch ab jetzt ist das Heim dein Zuhause.«
Das war ein schwerer Schlag. Nick hätte am liebsten geweint. »Aber das ist ungerecht«, murmelte er und versuchte die Tränen in seiner Stimme zu ersticken. »Kann ich denn nicht irgendwo anders hin?«
Mr Creal schlang plötzlich seine Arme um Nick und barg seinen Kopf an der Brust des Jungen, wie von Mitgefühl überwältigt.
»Nicht doch, Nick, nicht doch«, flüsterte er. »Du musst tapfer sein.« Es war unangenehm und wirklich sehr eigenartig, Creal so nahe zu sein, aber das war es nicht, was Nick in dem Moment beschäftigte. Er dachte, nun wäre sein Leben zu Ende. Er dachte an seine Mutter. Sie sollte sich doch um ihn kümmern. Er brauchte sie, und wo war sie? Weg, für immer weg, hatte ihn einfach im Stich gelassen.
Die Tränen setzten sich durch. Nick wischte sich die Augen am Bademantel ab, was schwierig war, weil Mr Creal seinen Kopf fest an Nicks Brust drückte. Dabei hielt er die Augen geschlossen und tätschelte Nicks Knie. Dann blickte Tony Creal auf und zog Nicks Kopf an seine Schulter.
»Das wird schon nicht so schlimm«, murmelte er. »Ich kann dir helfen. Du kannst immer mal wieder in meine Wohnung kommen. Hier ist es doch schön, oder? Gefällt es dir hier?«
»Ja, aber …«
»Es ist nicht zu Hause, ich weiß. Ich wünschte, ich könnte dir mehr bieten. Aber mehr als ein paar Abende, ein bisschen Kartenspielen
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