Nicholas Dane (German Edition)
davorstehe, Ausgang zu bekommen, und dass Jenny sich große Mühe gebe, die dafür nötigen Voraussetzungen zu erfüllen.
Davey beeindruckte das nicht.
»Dem darfste nich ein Wort glauben«, sagte er.
Aber Nick sah das nicht so. Für ihn war Mr Creal der einzige Lichtblick im ganzen Heim.
»Was meinst du, Oliver?«, fragte er.
Oliver zuckte die Achseln. »Er mag dich, warum sollte er dich dann rauslassen?«, sagte er, was Nick einigermaßen merkwürdig fand. Warum sollte denn Creal so einen Riesenaufwand betreiben, nur um irgendeinen Jungen in seiner Nähe zu halten?
Davey schüttelte den Kopf. »Jeder Junge hier bringt Geld, nich? Ich denk ma, in so Heimen kriegn die pro Kopf Geld, deswegen lassen die kein’ raus. Alter, komm, mach die Flatter mit mir, is echt besser für dich«, sagte er. Aber Nick schüttelte den Kopf.
»Wozu denn? Mir geht’s wie Oliver, wo soll ich denn hin?«, sagte er bitter. Ausgang war ja ganz schön, aber was dann? Warum hatte Jenny sich nicht bei ihm gemeldet? Es schien, als hätte sie ihn vollkommen fallengelassen. Nicks einzige Hoffnung bestand darin, dass sich irgendwo hinter den Kulissen etwas tat. Bis das nicht geklärt war, würde er nicht gegen die Regeln verstoßen. Denn dann wäre er …
»Ein Gangster«, grinste Davey. »Super!«
Nick schüttelte den Kopf.
»Ein Idiot«, sagte er.
»Verlass dich auf mich«, beharrte Davey. »Und auf mein’ Kumpel.«
»Creal hat gesagt …«
»Creal!« Davey verdrehte die Augen. »Wenn du auf Tony Creal wartest, kannste einpacken. Auf mein’ Kumpel Sonnschein kannste bauen.«
»Wer is’n das?«
»’n Typ, wo uns ’n paar Jobs verschafft und, wenn wir gut sind, auch was zum Pennen. Hey, was ist mit dir, Oliver? Biste dabei?«
Oliver, der vor den beiden am Boden hockte, blickte hoch und schüttelte lächelnd den Kopf. Es war auch nur ein Scherz. Jeder wusste, dass Oliver nirgendwo hinging.
»Ich kann doch nicht schnell genug rennen.«
»Stimmt.« Davey überlegte einen Moment. Was sollte Oliver draußen machen? Er war nicht schnell, beim kleinsten Problem geriet er in Panik. Und klauen könnte der nie.
»Ich hab ’ne Idee!«, sagte Davey. »Wir verkleiden dich als Mädchen, binden dir Schleifchen ins Haar und verkuppeln dich als minderjährige heiße Braut an Lastwagenfahrer. Die zahlen bestimmt ’n Vermögen.«
»Genau«, sagte Nick. »Und wenn sie merken, dass er kein Mädchen ist, ist es zu spät.«
Alle drei lachten. Oliver stand auf und spielte die heiße Braut, und sie johlten noch mehr. »Oder ich könnte meinen Arsch in der Canal Street verkaufen, wo die Schwulen abhängen. Da verdien ich bestimmt mehr Geld. Ein Vermögen, jede Wette.«
»Und wir sind deine Luden«, sagte Nick, und sie lachten wieder.
»Aber jetz ma im Ernst, Alter«, sagte Davey zu Nick. »Du solltest dich echt nicht auf den lieben Tony verlassen. Selbst wenn de im Moment sein Liebling bist – das kann sich jeden Tag ändern. Irgendwann kommt ’n andrer, nich, Oliver?«
Oliver nickte grimmig.
»Bis jetzt war Creal okay«, sagte Nick.
»Solange er kriegt, was er will«, sagte Davey.
Nick zuckte die Achseln. Das klang wieder nach dem typischen Trau-keinem-der-Macht-über-dich-hat der O’Brians. Damit war das Gespräch beendet.
In derselben Woche erschien Nicks Name zum zweiten Mal auf der Besucherliste.
»Zweima in zwei Wochen«, sagte Davey. »Denk an die Kippen für mich, ja?«
Nick grinste glücklich.
»Du siehst aus, als würdste dich freun«, sagte Davey höhnisch.
»Warum nicht?«, fragte Nick erstaunt. Es war doch toll da. Wem würde das nicht gefallen?
»Hätt ich nich von dir gedacht«, sagte Davey und zog eine Grimasse.
»So schlimm ist der nicht!«, sagte Nick. »Du hast echt ’ne Macke! Bloß weil er hier der Chef ist, muss er doch nicht blöd sein.«
Davey zog die Schultern hoch. »Mir egal, was du dir antust, solange ich meine Kippen kriege.«
Es war derselbe kleine Trupp wie beim letzten Mal – Flynn, Oliver und Nick. Wie beim letzten Mal trafen sie sich draußen, in ihren Bademänteln, wurden wie beim letzten Mal von Andrews begleitet und an der Tür von Mr Creal in Empfang genommen. Dieses Mal kam nichts Gutes im Fernsehen, also guckten sie Videos und aßen Nüsse und anderes Knabberzeug. Danach holte Mr Creal Karten und sie saßen um den Wohnzimmertisch, tranken Cola und spielten Brag und Siebzehnundvier und andere Spiele. Für den Einsatz verteilte Mr Creal Pennys aus einem großen Glas. Flynn brachte
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