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Nicholas Dane (German Edition)

Nicholas Dane (German Edition)

Titel: Nicholas Dane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melvin Burgess
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schwabbelig, sie hatte knallblaue Augen und viel zu viel Make-up im Gesicht. Ihre Haare waren an den Seiten so aufgebauscht, dass sie irgendwie an einen zahnlosen Elefanten erinnerte, wenn sie sich zu den Jungen runterbeugte und wieder ein Tablett mit Klietschkuchen, Milchreis oder Eiskrem brachte. Sie ging auf die vierzig zu, hatte aber immer noch eine zauberhafte Figur, so dass die Jungen vorgaben, nach ihr zu lechzen, gleichzeitig aber so taten, als fürchteten sie, die Frau könnte sich wirklich an sie ranmachen. Schwester Turner trug kurze Röcke und Blusen, die nicht besonders tief ausgeschnitten waren, aber dennoch einen kleinen Einblick erlaubten, sobald sie sich mit ihrem Tablett zu den Betten runterbeugte.
    Es waren wunderbare Tage. Besonders schön war die Vorstellung, wie wütend Toms sein würde, wenn er erfuhr, dass ihre Missetaten ihnen diese erholsamen Tage im Bett verschafft hatten. Eisessen, heimliche Blicke in Schwester Turners Ausschnitt, Fernsehen ohne Ende, Brettspiele – es war die reine Wonne. Davey meinte, dafür hätten sich die kalten Bäder und die Prügel gelohnt.
    »Du hast dir noch nie den Hintern aufgeschlitzt«, hielt Nick ihm entgegen und rutschte im Bett unruhig hin und her, woraufhin Davey vor Lachen brüllte. Aus irgendeinem Grund fand er Nicks Arschwunde, wie er die Verletzung nannte, lustig.
    Der einzige Nachteil war, dass sie nicht aufstehen und keinen Besuch bekommen durften. Denn als das Fieber sank und sie wieder zu Kräften kamen, wurden sie zappelig. Und mit jedem Mal, das Schwester Turner sie außerhalb der Betten erwischte, rückte der Tag ihrer Entlassung ein wenig näher.
    Einmal bekamen sie aber doch Besuch. Die Tür ging auf und zu Nicks Erstaunen und Entsetzen kam Mr Creal herein. Er sah aus wie immer: schwarzer Anzug, Pullover mit V-Ausschnitt, grau-blondes Haar und das strahlende Lächeln mit den Fältchen um die Augen – ganz der Lieblingsonkel.
    »Jungs!«, rief er, als er sie sah. »Na? Ihr lasst’s euch wohl so richtig gut gehen, was?« Er klang, als hätte er gerade eine Schüssel besonders leckeren Sahnepudding serviert bekommen. »Gemütlich eingebuddelt wie zwei kleine Kröten im Erdloch«, fügte er hinzu. Er benahm sich, als wäre er nach wie vor Nicks bester Freund. Er hatte ihnen etwas mitgebracht – Cola, Schokolade und zwei Flaschen Bier, die er Nick unter die Decke schob, während er sich auf die Bettkante setzte.
    »Lasst das nicht Schwester Turner sehen«, sagte er augenzwinkernd. »Und trinkt nicht alles auf einmal. Ich kenn euch Jungs doch.«
    Nick rückte so weit von ihm ab wie möglich. Er fürchtete, dass Creal ihn befummeln würde oder, schlimmer noch, eine Andeutung über das machte, was im Arrest geschehen war. Die Ereignisse jener Nacht hatten Mr Creal eine seltsame und schreckliche Macht über Nick verliehen. Nick hatte das Gefühl, allein die Erwähnung dessen, was da geschehen war, würde ihn voll und ganz zu Grunde richten, und er hatte panische Angst, dass Creal plötzlich darüber reden würde.
    Nick hatte inzwischen gelernt, die Gedanken an diese Nacht wegzuschieben, aber seine Gefühle konnte er nicht bremsen. Die Erinnerung überfiel ihn immer, wenn er sich hilflos fühlte oder müde war oder im Traum, und dann wachte er jedes Mal schreiend auf. Seit sie im Krankenzimmer waren, hatte er Davey damit schon mehr als einmal geweckt. Allein die Nähe seines Vergewaltigers ließ Nick zittern. Seine Hände bebten wie Espenlaub.
    Er hasste Creal, wie er noch nie in seinem Leben jemanden gehasst hatte. Das Schlimmste war, dass er sich dabei so ohnmächtig fühlte.
    Was wollte Creal bloß? Sie hatten Schlafanzüge an und lagen im Bett. Eigentlich einladend. Aber Mr Creal rührte Nick nicht an. Er würde nie versuchen, sich ein paar Annehmlichkeiten zu verschaffen, solange zwei Jungen im Raum waren. Er legte Nick die Hand auf die Stirn, um zu fühlen, ob er Fieber hatte, und lächelte aufmunternd.
    »Ich habe gehört, dass dieser Mistkerl von Toms sich wieder mal von seiner brutalsten Seite gezeigt hat«, sagte er. »Wenn ich irgendwas für euch tun kann …« Er schüttelte den Kopf. »Diese Leute, die machen einfach ihre eigenen Gesetze.«
    Dann ertrank er fast in Selbstmitleid, was Nick nur widerwärtig fand. Mit traurigen Hundeaugen klagte Creal, was für gute Freunde er und die Jungs doch sein könnten, wenn er nur nicht immer im Dienst sein müsste, dass er genug habe von seiner Rolle im Heim und wie sehr ihn doch seine

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