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Nicholas Dane (German Edition)

Nicholas Dane (German Edition)

Titel: Nicholas Dane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melvin Burgess
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sagt denn, dass er’s gerne macht? Und wer sagt, dass er’s überhaupt noch macht? Haste nich gemerkt? Der is schon lange nich mehr auf der Liste«, sagte Nick.
    »Guckste immer noch drauf?«
    »Ich will eben wissen, was läuft.«
    Davey zuckte die Achseln. »Dem Oliver würd ich nich ma mein’ Hamster seine Erdnüsse anvertraun. Und in so ’ne Sache reinziehn würd ich den schon gar nich.«
    Nick hatte Recht. Oliver mochte nicht, was ihm angetan wurde, er mochte nicht, was er tun musste, und Mr Creal mochte er auch nicht – aber er war froh, einen Beschützer zu haben. Er war froh, dass er Tüten mit Schokolade und Zigaretten und Pornos bekam, wann immer er wollte, dass er nicht zu hungern brauchte und dass er Abende in einer warmen Wohnung fern von den anderen Jungen vor dem Fernseher verbringen konnte. Er fühlte sich als jemand Besonderes, und Tony Creal wusste genau, was er tun musste, um ihm dieses Gefühl zu vermitteln. Es war keine Liebe, es war Prostitution, kam aber der Liebe, die Oliver sich erhoffte, am nächsten. Also machte er mit.
    Seine Zeit mit Tony Creal hatte lange gewährt, aber sie neigte sich dem Ende zu.
    Zum einen kam Oliver in den Stimmbruch. Mr Creal mochte eigentlich Jungen jeden Alters, aber Oliver mochte er vor allem, weil er hübsch und jung war und wie ein Mädchen aussah. Seine raues Krächzen störte diese Illusion. Mr Creal hatte angefangen, sich für andere Jungen zu interessieren – zum Beispiel für Nick. Das beunruhigte Oliver und das war der Grund für die nervösen Blicke, die Nick während der Abende in Creals Wohnung bemerkt hatte. Zum anderen aber hatte sich ein paar Wochen zuvor, als Oliver im Krankenzimmer gelegen hatte, eine neue Möglichkeit aufgetan.
    Mr Creal hatte Oliver regelmäßig besucht und ihm immer was Schönes mitgebracht.
    »Wir haben einen neuen Jungen im Heim«, sagte Creal an einem regnerischen Dienstagnachmittag zu Oliver. »Ich kann mir vorstellen, dass du ihn magst, Oliver. Ich glaube, ihr beide habt vieles gemeinsam.«
    Schon bald bekam Oliver den neuen Jungen zu sehen – vom Krankenzimmer aus beobachtete er mehrfach, wie Creal und der neue Junge vor dem Fenster vorbeigingen und Creals Hand auf der Schulter des Jungen lag. Er war schmächtig, blond und blass, genau wie Oliver, aber etwa ein Jahr jünger. Oliver erkannte ihn sofort – nicht, dass er ihm in irgendeiner Weise schon einmal begegnet wäre, aber er wusste einfach, was für ein Typ das war. Genau wie Creal sah Oliver, dass dieser Junge wie er selbst war. Er hätte nicht sagen können, woher er das wusste, aber er wusste es.
    Mr Creal hatte ein neues Spielzeug gefunden.
    Oliver erfuhr auch bald den Namen des Neuen. Eines Tages schlich er sich aus dem Krankenzimmer und warf einen Blick auf die Besucherliste, und da stand der neue Name – Jeremy Style. In den wenigen Tagen, die Oliver zu dem Zeitpunkt im Krankenzimmer gelegen hatte, war Jeremys Name schon zweimal auf der Liste erschienen.
    Eine Überraschung war es nicht, trotzdem tat es weh. Wehtun ist eigentlich ein zu schwacher Ausdruck. Oliver war am Boden zerstört, was ihn verwirrte und gleichzeitig anwiderte. Sein Verstand wusste genau, dass Creal ihn bloß benutzt hatte, aber sein Herz wollte das einfach nicht glauben. In Ermangelung echter Zuneigung reagierte Oliver auf das, was er stattdessen erfuhr, wie schäbig es auch sein mochte.
    Die Wochen vergingen. Oliver hatte das Krankenzimmer verlassen. Nick und Davey wurden dorthin verlegt. Der Name des neuen Jungen erschien regelmäßig auf der Liste, während Olivers Besuche bei Creal immer seltener wurden. Aber noch wurde er nicht ganz fallengelassen. Creal brauchte einen zweiten Jungen in der Wohnung, damit sein Neuer sich wohlfühlte, aber auch als Ersatz, falls Jeremy sich zörgerlich verhielt. Oliver war ein guter Ersatz, aber er war nicht mehr so gesellig wie damals, als Mr Creal Nick umgarnen wollte. Oliver war eifersüchtig, und das zeigte er auch. Jeremy erfasste die Lage instinktiv und erklärte Mr Creal schon bald, dass er Oliver nicht mochte, und so wurde Oliver seltener eingeladen. In der nächsten Zeit war Oliver nur ein Mal pro Woche in Creals Wohnung, obwohl es sonst zwei oder drei Abende gewesen waren.
    Jedes Mal, wenn Jeremys Name auf der Liste auftauchte, sein eigener aber nicht, hatte Oliver das Gefühl, jemand würde einen stumpfen, rostigen Nagel durch ihn hindurchstechen. Er hatte gedacht, er wäre inzwischen so oft abgewiesen worden, dass er sich

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