Nicholas Dane (German Edition)
schwerfällig, bis ihn die Kälte übermannte und er ganz still liegen blieb.
Andrews zog ein Päckchen Karten aus der Tasche. Die beiden Aufsichtsschüler setzten sich auf den Boden und pokerten um Streichhölzer.
Nach fünf Minuten fing Davey an zu weinen und wimmerte leise vor sich hin. Es war so grausam, so erniedrigend, so kalt. Beide Jungen konnten der Kälte nichts mehr entgegensetzen, sie hatten keinen Widerstand mehr, keine Kraft, keine Wärme. Kaum hatte es Davey gepackt, erwischte es auch Nick und er fing ebenfalls an zu schluchzen. Da lagen die beiden, Seite an Seite in zwei gleichen Badewannen, und weinten wie Babys.
»Ach, fangt bloß nich mit so was an«, stöhnte Andrews. Julian und er verdrehten die Augen und wandten sich wieder ihren Karten zu.
»Den Scheiß könnt ihr euch schenken, es sind noch zehn Minuten«, sagte Julian ärgerlich.
Aber die Jungen waren am Ende und konnten nicht aufhören. Toms hatte genau die richtige Foltermethode gefunden. Sie froren, sie waren erschöpft, hatten nicht geschafft, was sie sich vorgenommen hatten. Sie hatten das Gefühl, sie würden nie wieder warm werden.
Andrews und Julian spielten Karten. Nick und Davey lagen im Wasser und weinten, bis sie so durchgefroren waren, dass ihre Tränen trockneten und ihre Augen in den Höhlen herumrollten.
Dieses Mal wurden sie auf dem Weg ins Bett eher gestützt als geschoben. Wieder ließ man sie einschlafen, und wieder wurden sie geweckt und zurück ins eisige Wasser gestoßen – frisch eingelassenes, denn das Wasser aus der Leitung war kälter als das abgestandene. Dieses Mal mussten sie hinterher zum Schlafraum gezerrt werden und wurden noch nass ins Bett gestoßen, weil sie keine Kraft mehr hatten, sich abzutrocknen. Gnädigerweise durften sie liegen bleiben, bis am nächsten Morgen zum Wecken gepfiffen wurde.
Trotz des trockenen, stoßweisen Hustens, den beide Jungen über Nacht bekommen hatten, wurden sie in die Schule geschickt, und sie schnieften und niesten sich durch den Tag. Aber weder ihre Erkältung noch ihre verletzten Füße, nicht mal die hässliche Schramme auf Nicks Hintern rettete sie vor der offiziellen Bestrafung, die sie am Abend ereilte – die Stockhiebe.
Toms legte mehr Eifer an den Tag als sonst, und zwar wegen des zerbrochenen Fensters und der zusätzlichen Arbeit, ganz abgesehen davon, dass er zweimal mitten in der Nacht aus dem Bett geholt worden war, nur weil diese beiden Scherzkekse einen Spaziergang machen wollten. Jeder bekam zwölf Hiebe. Nach den ersten drei Schlägen weinten und heulten alle beide. Wie üblich wurde die Strafe in dem Raum hinter dem Saal vollzogen, so dass alle mithören konnten.
Als sie zurück in den Saal kamen, machte niemand eine Bemerkung über ihre Schreie. Wie immer mussten sie ihre Hinterteile zeigen, damit entschieden werden konnte, ob sie Feldwebel oder Oberfeldwebel waren. Als Nick seins zeigte, verstummten alle.
»Geh damit mal lieber zur Krankenschwester«, hörte Nick jemanden sagen. Dann fiel er in Ohnmacht.
16
Im Krankenzimmer
Es war eine Katastrophe, aber trotzdem kam etwas Gutes dabei heraus. Über Nacht wanderte die Erkältung der Jungen vom Hals in die Brust, und beide hatten am Morgen nach den Stockhieben sehr hohes Fieber. Trotzdem jagte Toms sie zur Schule, aber die Lehrer spielten nicht mit und schickten Nick und Davey mit einer schriftlichen Anweisung zurück. Das hatte zur Folge, dass ein Arzt gerufen wurde, der beiden Antibiotika verschrieb und sie für ein paar Tage ins Krankenzimmer einwies, wo sie von der legendären Schwester Turner betreut wurden.
Das Krankenzimmer war allerdings kein richtiges Krankenzimmer, sondern nur ein Raum mit ein paar Betten für kranke Jungen. Und Schwester Turner war keine Krankenschwester, sondern die Frau eines der Hausväter. Alles in allem also ein ziemlicher Witz, aber die Frau war sehr freundlich und kümmerte sich voller Eifer um die Jungen, die zu ihr geschickt wurden. Die Turners waren die besten Hauseltern in Meadow Hill, und wenn Nick statt bei Toms bei den Turners gelandet wäre, hätte sein Leben wohl einen ganz anderen Verlauf genommen.
Es war großartig. Die Turners hatten einen Fernseher aufgestellt, und die Jungen konnten gucken, was sie wollten. Zudem schleppte Schwester Turner den ganzen Tag lang Tabletts voller Leckereien heran. Allein das war in Meadow Hill wie der Himmel auf Erden.
Schwester Turner war eine merkwürdig aussehende Frau. Ihr Lächeln war breit und
Weitere Kostenlose Bücher