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Nicholas Dane (German Edition)

Nicholas Dane (German Edition)

Titel: Nicholas Dane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melvin Burgess
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daran gewöhnt haben müsste, aber das war nicht der Fall. Jedes Mal schmerzte es ihn stärker. Er wusste nicht, was ihn mehr faszinierte – die Tatsache, dass es ihm so wehtat, oder die Tatsache, dass ihn dieser Schmerz jedes Mal von neuem in Erstaunen versetzte.
    Gleichzeitig wurde es in der Schule immer schlimmer. Die Jungen begriffen sehr schnell, dass Oliver nicht mehr der Liebling des stellvertretenden Heimleiters war, und kreisten ihn ein wie ein Rudel Wölfe. Es fing an mit Schimpfworten, ging schnell zu Schlägen und Tritten über, für Oliver ein bekannter Ablauf. Wenn niemand auf ihn aufpasste, folgten Bangen und Schmerzen. Das kannte er alles.
    Selbst in besten Zeiten war Olivers Leben ziemlich hart gewesen, aber jetzt sah es aus, als würde er alles verlieren, was er hatte. Einen Freund suchte er nicht, aber ihm war klar, dass er einen neuen Beschützer brauchte. Nick traute er nicht, aber Vertrauen war ihm sowieso schon lange nicht mehr wichtig. Die Kombination von Missbrauch und Zuneigung war ihm sehr geläufig. Da er ohne Zuneigung nicht leben konnte, musste er den Missbrauch in Kauf nehmen – so war das Leben. Er hatte anfangs gedacht, Nick würde aus diesem Muster herausfallen. Da hatte er sich wohl geirrt – na und? Dann war Nick eben auch nicht besser als alle anderen. Jetzt, da er Nick wieder brauchte, tastete er sich vorsichtig an ihn heran.
    Davey hatte schon Recht damit, Oliver nicht zu trauen. Jungen wie Oliver lebten von Vergünstigungen und Gefälligkeiten, und an einem Ort wie Meadow Hill würde es immer Leute geben, die bessere Vergünstigungen oder mehr Gefälligkeiten gewähren konnten als Davey oder Nick.
    »Wenn irgendwer dem mehr bietet, isser weg. Der hat sich bloß an dich rangehängt, weil er sonst kein’ hat, wo ihm sein’ Arsch pudert.«
    »Ich bin ihm was schuldig«, sagte Nick wild entschlossen.
    »Du schuldest ihm gar nix, Alter. Damit musste er doch rechnen.«
    »Aber nicht bei mir. Ich bin ihm was schuldig. O. k.?«
    Davey hob die Hände.
    »Alter, das würde ich bei dir genauso machen. Immer.«
    Davey nickte. Er wusste, dass das stimmte. Nick ließ einfach niemanden im Stich.
    Wenn also die anderen Jungen Oliver belästigten und Nick in der Nähe war, ging er dazwischen, auch wenn er sich damit nicht beliebt machte. Davey hielt sich raus – er war der Meinung, sie hätten wegen Oliver schon genug Ärger gehabt. Doch schließlich geschah das Unvermeidliche. Nick war gezwungen, sich wegen Oliver mit mehreren Jungen zu prügeln. Und da blieb Davey keine Wahl.
    »Hey! Das is’ mein Kumpel!«, brüllte Davey, und schon war er mittendrin, kämpfte Rücken an Rücken mit Nick gegen die, die über Oliver hergefallen waren.
    Sie bezogen eine mächtige Abreibung, alle drei, wurden zu Boden gestoßen und getreten. Davey war außer sich vor Zorn.
    »Was soll’n der Scheiß?«, fragte er Nick. »Wenn wir erwischt worden wärn! Guck mal! Ich blute«, rief er und wischte sich mit der Hand über die Nase.
    »Tut mir leid, Alter. Geht’s?«, fragte Nick Oliver und half ihm auf die Beine.
    »Danke«, sagte Oliver, der eigenartigerweise kaum eine Schramme abbekommen hatte.
    »Klasse!«, brummte Davey. »Na, jetzt haste, was de wolltest, nich?«, knurrte er Nick zu und stapfte davon. Er hatte Recht. Von dem Moment an war Oliver wieder mit ihnen zusammen. Das war für ihn am sichersten.
    Davey war zwar sauer, ergriff aber trotzdem die Gelegenheit beim Schopf. Schon bald überlegte er, was Oliver für ihn tun könnte – zum Beispiel Zigaretten besorgen.
    »Was is mit Pillen? Kannste uns welche besorgn?«, wollte Davey wissen.
    »Kann sein«, sagte Oliver zögerlich. »Kommt drauf an, ob ich auf der Liste bin.«
    Davey verzog angewidert das Gesicht, sagte aber nichts mehr. In der nächsten Woche war Oliver nicht auf der Liste, und da er nicht an die gewünschten Dinge herankam, glaubte er, Nick würde ihn nun deswegen fallenlassen. Dass das nicht geschah, erstaunte und verwirrte Oliver.
    Nick hatte sich durchgesetzt, aber in einem musste er Davey beipflichten: Man konnte Oliver nicht trauen, und daher erzählte Nick dem Jüngeren nicht, dass sie immer noch abhauen wollten, sobald sie wüssten, wie.
    Tony Creal aber hatte das Kapitel Oliver noch nicht abgeschlossen. Drei Wochen waren vergangen, seit Nick und Davey aus dem Krankenzimmer entlassen worden waren. Es war Dienstagnachmittag. Die Liste für den Wohnungsbesuch hing aus, und wieder fehlte Olivers Name. Doch nach dem Essen,

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