Nicholas Dane (German Edition)
oder nicht?«
»Bin ich beknackt?«
»Dann machen wir’s ohne dich, Alter.«
Davey warf ihm einen hasserfüllten Blick zu und sah dann zur Seite.
»Pass auf«, zischte Nick. »Von mir aus kannst du hier auf deinem Arsch hocken bleiben und alten Männern einen runterholen, wenn du das willst. Aber ich hau ab.«
Davey antwortete nicht.
»Was jetzt – soll ich Andrews sagen, er soll dich laufenlassen?«
Der Pfiff zum Appell schrillte. Davey wandte sich ab. »Sag ihm, was de willst. Mir egal.« Er stellte sich in die Reihe vor dem Snookertisch, Nick folgte ihm wütend.
Jeden Morgen dieselbe Hetze – aufs Klo, Bett machen, auf die Appell warten. Waschen tat sich kaum einer. Dann Treppe runter, Frühstückstische decken, abräumen, anschließend direkt zur Schule. Die Aufsichtsschüler schmieren konnte Nick nur in der Zeit, in der das Frühstücksgeschirr abgeräumt wurde.
Sechzig Zigaretten. Das war nicht übel. Ihre Chancen standen ziemlich gut.
Nick schlich sich zu einem Aufsichtsschüler nach dem anderen und drückte jedem ein Päckchen Zigaretten in die Hand. Andrews blickte ihn scharf an.
Nick nickte. »Zwanzig Kippen. Für mich, Oliver und Davey.«
»Drei? Und der Scheiß-Oliver? Das kostet mehr, Toms nimmt mir nie ab, dass ich den nicht kriege.«
Nick schüttelte den Kopf. »Mehr gibt’s nich.«
»Ich könnte dich trotzdem melden«, zischte Andrews. »Ich will mehr.«
»Mehr gibt’s nich. Melde mich doch, dann sag ich, wo du die Kippen herhast«, sagte Nick. Er zuckte die Achseln. Andrews zuckte die Achseln. Er hatte schon vor seiner Frage gewusst, was Nick antworten würde. Aber einen Versuch war es wert gewesen.
»Okay?«, fragte Nick.
»Ja.« Er blickte Nick zum ersten Mal ins Gesicht und nickte.
»Mit Oliver.«
Andrews zögerte, nickte dann wieder. »Mit Oliver.«
Nick ging zu Julian und redete mit ihm und dann mit Taylor, dem dritten Aufsichtsschüler, der für Oliver zuständig war. Eine Weile später sah Nick, wie die drei die Köpfe zusammensteckten. Er hätte sonst was gegeben, um zu erfahren, was sie da tuschelten.
Was die Flucht über den Flatterweg so hoffnungslos machte, war die Jagd. Wer wegrannte, wurde regelrecht zur Strecke gebracht, wie ein Reh von einem Rudel Wölfe. Die Verfolger waren wie Raubtiere – bissiger, grausamer und härter als ihre Beute. Aber es gab Tricks. Man konnte zum Beispiel in einer Herde fliehen, wie das Wild. Dann kämen wenigstens einige davon. Wenn die drei Glück hatten, würden sich andere ihnen anschließen, sobald sie losrannten, und so ihre Chancen vergrößern.
Aber wer klein war und nicht schnell rennen konnte wie Oliver – der musste auf Bestechung setzen. Musste die Verfolger bestechen und aufs Beste hoffen …
Bis zur Freiheit war es etwa eine halbe Meile – das bedeutete, man musste eine halbe Meile über Schlamm schlittern, rennen und keuchen, bis einem schier die Lunge barst. Wenn man so schnell rannte, dass die Aufsichtsschüler zu der Überzeugung kamen, sie würden einen sowieso nicht kriegen, konnte es sein, dass sie aufgaben. Diejenigen, die flohen, hatten einen Vorteil: Sie wollten weg. Sie wollten unbedingt weg, sonst wären sie nicht losgerannt. Die Aufsichtsschüler hingegen hatten nur ihren Stolz zu verlieren und riskierten allenfalls eine Tracht Prügel, wenn sie keine gute Show abzogen. Und das war ein großer Unterschied.
Davey nahm seinen Platz neben Nick ein und warf ihm einen finsteren Blick zu.
»Ich hab ihnen gesagt, dass du dabei bist«, zischte Nick, aber Davey guckte zur Seite. Nick kochte vor Zorn. Ohne Davey klappte das nie. Und wer würde mit den Fotos im Hosenbund erwischt werden? Und was würde mit demjenigen geschehen?
Sie stellten sich draußen auf dem Hof auf. Oliver sah aus, als würde er gleich vor Angst sterben. Nick wollte ihm einen aufmunternden Blick zuwerfen, aber er brachte nur eine schiefe Grimasse zu Stande.
Die Kolonne setzte sich in Bewegung. Davey behielt Nick im Auge. Nick wich seinem Blick aus. Es war zu spät, sie konnten nicht mehr zurück.
Ganz ruhig, sagte sich Nick. Behalt einen klaren Kopf. Er schaute hinüber zu Oliver, der inzwischen grün angelaufen war. Ein Wunder, dass das niemandem auffiel. Nick brachte ein Zwinkern zu Stande. Oliver stierte wie ein Volltrottel mit offenem Mund vor sich hin.
Sie hielten kurz an, weil von der anderen Seite des Gebäudes eine weitere Kolonne mit Schülern dazukam. Dann ging es weiter. Sie kamen näher. Zwanzig Meter. Zehn.
Dann
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