Nicholas Dane (German Edition)
vergewaltigt worden, nur weil er gedroht hatte zu reden. Was würden sie mit ihm tun, wenn sie wüssten, dass er diese Bilder hatte?
Plötzlich wurde er wütend. Das gehörte nicht zum Plan. Das war unsäglich. Durch diese widerwärtigen Bilder wurde ihm die ganze ekelhafte Geschichte jetzt noch einmal ins Gedächtnis gebrannt, wie ein Fluch, und daran war nur dieser kleine Scheißer schuld.
Die würden ihn umbringen. Vielleicht würden die ihn wirklich umbringen, wenn sie die Bilder bei ihm fanden. So weit würden die bestimmt gehen, oder? Statt den Rest ihres Lebens im Gefängnis zu verbringen?
Immer noch zitternd fing Nick an, Bilder zu zerreißen und die Schnipsel zwischen seinen Beinen hindurch ins Klo zu schmeißen. Er wollte alle vernichten, aber es waren einfach zu viele. Er hatte vier, fünf zerrissen, bis er endlich zu Sinnen kam und fieberhaft zu überlegen anfing.
Warum hatte die kleine Ratte ihm das angetan? Aber er wusste die Antwort schon. Weil er sich rächen wollte. Creal die Stirn bieten wollte. Oliver versuchte, sein Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen.
Eine Sekunde lang ahnte Nick, wie mutig Oliver gewesen war. Was für eine Tat! Diese Bilder zu besitzen bedeutete, über das zu verfügen, was geschehen war – sich daran zu erinnern, es sich anzueignen, es zu einem Teil seiner selbst zu machen. Nick hätte das unmöglich fertiggebracht.
Oliver war mutiger als alle, die er kannte.
Nick schüttelte den Kopf. Wahnsinn! Wie schwer musste das für Oliver gewesen sein, diese Bilder Creal direkt unter Nase wegzuklauen? Die ganze Nacht hatte er sie unter seinem Kopfkissen gehabt. Kein Wunder, dass er sie so schnell wie möglich weitergegeben hatte.
Der kleine, blonde, schmächtige Kerl hatte es ihnen allen gezeigt.
Nick guckte die Bilder noch einmal an. Es war nicht nur Mr Creal – es waren auch noch drei andere Männer. Einen erkannte er, er gehörte zu denen, die ihn in der Arrestzelle vergewaltigt hatten. Jetzt bist du geliefert, du Arschloch! Mal sehen, wie dir das gefallen wird, wenn du eingesperrt und vergewaltigt wirst – denn genau das würde im Gefängnis mit ihm geschehen. Nick hatte gehört, was im Knast mit Kinderschändern gemacht wurde. Er konnte kaum erwarten, dass das dem liebenswürdigen, guten Onkel Tony Creal widerfuhr.
Er stopfte die Fotos unter seinen Schlafanzug, holte tief Luft und verließ das Klo. Nicht einmal Davey würde er davon erzählen. Das konnte er ihm nicht antun. Eigentlich war es auch nicht richtig, dass er selbst von den Fotos wusste. Diese Last war zu schwer für ihn. Aber er nahm sie trotzdem auf sich.
Sie würden über den Flatterweg abhauen. Sie mussten. Wenn es nicht klappte, gnade ihnen Gott.
Davey wartete vor der Toilette auf Nick und tat so, als wasche er sich das Gesicht. Sobald Nick auftauchte, ging er mit ihm zurück zum Schlafraum.
»Wir können«, sagte Nick.
»Hat er die Kippen?«
»Drei Päckchen.«
Davey blickte ihn ungläubig an. Nick klopfte auf sein Handtuch und nickte.
»Drei Päckchen? Der kleine Scheißer!«
»Wir machen’s heute Vormittag«, sagte Nick.
»Jetzt gleich?«
»Creal kriegt raus, dass es Oliver war.«
Davey zog ein Gesicht und schüttelte den Kopf.
»Was ist mit dir?«
»Das is ’ne Falle, oder?«
»Nein!«
Inzwischen waren sie im Schlafraum. Nick schaffte es, die Zigaretten unauffällig unter seine Matratze zu schieben, während sie ihre Betten machten und dabei ihr Gespräch bruchstückhaft und flüsternd fortsetzten. »Der kleine Oliver beklaut den lieben Tony? Glaub ich nich. Wenn wir abhaun, schnappen die uns sofort. Damit sie uns fertigmachen können.«
»Das können die auch so.«
»Das is ’ne Falle«, beharrte Davey. »Heute is kein guter Tag. Warum so plötzlich? Warum warten wir nich bis Freitag, wie geplant?«
»Ich hab dir doch gesagt, Creal wird merken, dass Oliver ihn beklaut hat.«
Davey schnaubte angewidert. »Das is echt zu schnell, Alter. Du hast doch ’ne Macke, wenn du abhaust, bloß weil der das will.«
Nick schwieg. Für ihn waren nicht die gestohlenen Zigaretten der Beweis, dass Oliver es ernst meinte, sondern die Bilder. Aber er konnte Davey jetzt nicht einfach zum Klo lotsen und ihm die Bilder zeigen. Sie mussten die Betten machen.
»Vertrau mir, Alter«, sagte er und blickte Davey entschlossen an.
Davey schüttelte den Kopf. »Du bist nich mein Problem, Mann.«
Nick spürte, dass er wütend wurde. Das konnte er jetzt wirklich nicht brauchen. »Kommst du mit
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