Nicholas Dane (German Edition)
missverstanden worden war. Dann bot er ihm ein wenig Trost an, was der Junge passiv über sich ergehen ließ. Sobald sich Mr Creals Hand in seine Schlafanzughose schob, wurde der Körper des Jungen schlaff und widerstandslos. Dann meinte Creal, nun könne auch er eine kleine Annehmlichkeit vertragen, aber Jeremy wich zurück. Keine Chance. Wieder musste Creal seinen Ärger runterschlucken. Diese kleine, egoistische Ratte brauchte wirklich ewig. Aber er wollte nichts erzwingen. Er wollte sich keinen zweiten Nick Dane ans Bein binden.
»Du machst dich prächtig«, versicherte er dem Jungen, während er den Reißverschluss zuzog. Jeremy blickte ihn mit seinen großen blauen Augen an – voller Dankbarkeit, sagte sich Mr Creal. Er ging mit ihm ins Wohnzimmer, wo Oliver ihnen Gesellschaft leisten sollte, aber zu seiner Überraschung war der nicht mehr da.
Miststück! Creal war wütend. Keine Frage, das war Eifersucht. Die plagte beide Jungen. Creal hatte Oliver nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt. Trotzdem war es verdammt unhöflich von Oliver, erst seine Gastfreundschaft anzunehmen und sich dann einfach ohne Abschied zu verdrücken und ihn verärgert und frustriert zurückzulassen.
Verstimmt schickte er den anderen Jungen auch weg. Zum Trost schenkte er sich einen Whiskey ein, den er zu der letzten Zigarette des Tages trank, bevor er unbefriedigt zu Bett ging.
19
Der Flatterweg
Der Pfiff. Krachend schlug die Tür auf, und Toms steckte seinen hässlichen Kopf in den Schlafraum und pfiff noch einmal.
»Hoch mit euch, ihr hässlichen kleinen Mistkerle! Hopp, hopp, hopp, ihr grässlichen kleinen Kröten.«
Jeden Morgen, wie bei der Armee. Als in einem der Schlafräume ein Junge in Tränen ausbrach – weil er aus einem wunderschönen Traum in eine Welt der Pein gerissen worden war –, starrte ihn Toms mit einer Mischung aus Unverständnis und Widerwillen an. In der Armee wurde nicht geweint.
»Du jämmerliches Stück Scheiße! Hoch mit dir und hör auf zu flennen!«, brüllte Toms und verspürte sofort das Bedürfnis, den kleinen Waschlappen zu verprügeln. Schwäche führte zu nichts. Im Krieg hätte Schwäche Toms und seine Kameraden das Leben gekostet. Den Jungen kostete sie eine Tracht Prügel von Toms. Der Krieg war längst vorbei, doch Toms führte ihn auf eigene Rechnung immer weiter.
Nick, Davey und Oliver trafen sich vor den Schlafräumen im Korridor, der durch das ganze Gebäude lief und die beiden Wohngruppen miteinander verband. Nick sah sofort, wie blass Oliver war. Er hatte in der Nacht kein Auge zugetan. Im Gedrängel auf dem Weg zu den Klos schob sich Nick neben Oliver.
»Alles klar?«, fragte er.
Oliver nickte. Er deutete mit dem Kopf hinter sich und führte Nick in seinen Schlafraum. Er wartete, bis alle draußen waren, dann schob er die Hand unter die Matratze und zog drei Päckchen Bensons heraus.
Nick war so überrascht, dass er beinahe aufgejauchzt hätte. Er nahm die Zigaretten und wickelte sie in sein Handtuch ein.
»Verdammte Scheiße, Oliver! Wie haste denn das gedreht?«
»Ich weiß, wo er sie hat.«
»Alter. Verdammte Scheiße.« Nick schüttelte den Kopf und grinste. Er hätte nie geglaubt, dass Oliver es tatsächlich tun würde. Aber das Grinsen verging ihm, als er in Olivers Gesicht sah. Nie zuvor hatte er einen so verängstigten Menschen gesehen.
»Alles ist gut«, sagte er leise und vergewisserte sich, dass sie allein waren. »Du hast es geschafft. Du bist ein Held, Oliver.«
»Wir müssen sofort abhauen.«
»Warum sofort?«
»Der weiß, dass ich das war. Creal weiß das.«
Nick leckte sich über die Lippen. Daran hatte er nicht gedacht.
»Und ich hab das hier.« Oliver drückte ihm noch etwas in die Hand – einen Umschlag.
»Wassn das?«
Oliver guckte ihn so entsetzt an, dass Nick nicht erneut fragte. Er fuhr dem Jüngeren über den Schopf, nickte ihm zu und reckte ihm den Daumen entgegen. Den Umschlag schob er sich unter den Schlafanzug und ging aufs Klo. In einer Kabine, hinter einer verriegelten Tür – dem einzigen Ort in Meadow Hill, an dem man wirklich für sich sein konnte – guckte er hinein.
Er konnte nicht glauben, was er da in Händen hielt. Oliver hatte Fotos gestohlen, auf denen Mr Creal mit nackten Jungen abgebildet war.
»Nein. Nein, nein, nein. O nein. Ach, du Scheiße, Oliver! Was hast du getan?«
Es war einfach nur schrecklich. Nick wurde die Kehle schlagartig trocken, seine Hände zitterten. Er war eingesperrt und
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