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Nicholas Dane (German Edition)

Nicholas Dane (German Edition)

Titel: Nicholas Dane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melvin Burgess
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nicht im Stich. Er steckte nur den Kopf aus der Ladentür und brüllte ihnen hinterher: »Hey, mein Geld, ihr Penner!« Aber da bogen sie schon um die nächste Ecke. Die Stadt breitete die Arme aus, nahm sie auf und ließ sie unbehelligt ihren Weg fortsetzen. Sie schlüpften ins Erdgeschoss eines Parkhauses, versteckten sich hinter einem Mauervorsprung und vertilgten ihre Beute.
    »Mann, du bist ja vielleicht abgegangen!«, rief Davey. Beide lachten. »Junge! Hast du ’n Propeller am Arsch? Haste dem sein Gesicht gesehen? O Mann, sah das geil aus!«
    Nick kicherte und prustete, während er die Fritten aus dem Papier wickelte. Dann stieg ihnen der Duft heißer, salziger Fritten mit Essig ins Gesicht, und beide schwiegen und fingen an zu essen. Es war göttlich. Es war köstlich – das erste richtig gute Essen, seit man sie ins Heim gesteckt hatte.
    »Fritten«, seufzte Nick. Er hatte ganz vergessen, wie wunderbar die schmeckten.
    »Super, oder?« Sie aßen und aßen und schleckten das Papier ab, und schon war die kleine Seligkeit vorbei.
    »Gott, war das gut«, stöhnte Nick und leckte sich die letzten Spuren Fett von den Fingern.
    »Genau«, sagte Davey, als sie fertig waren. »Und jetzt das Ganze noch mal.«
    Auf dem Weg nach Hause gab es noch zweimal Nix-wie-weg-Fritten, dann Nix-wie-weg-Schokolade, Nix-wie-weg-Milch und Nix-wie-weg-Battenbergkuchen. Beim letzten Mal machte sich der Wachmann von Spar tatsächlich die Mühe, ihnen hinterherzulaufen, aber sie hängten ihn schnell ab. Sie tranken die Milch aus dem Karton und aßen den Kuchen wie einen Schokoriegel, bissen einfach große Stücke ab. Auf diese Weise kamen sie zwei Meilen auf der Wilmslow Road voran und waren am Ende satt. Es hatte Spaß gemacht, dennoch waren ihre Nerven jedes Mal zum Zerreißen gespannt gewesen. Nick wollte sich nur noch irgendwo hinlegen und schlafen …
    Schon jetzt war es ein langer Tag gewesen.
    Als sie durch Rusholme mit seinen vielen indischen Restaurants kamen, interessierten sie die köstlichen Düfte kaum noch, obwohl Davey schon aus Prinzip gerne ein Nix-wie-weg-Curry-Gericht geholt hätte. Aber Nick redete es ihm aus. Sie marschierten weiter, an der Universität vorbei bis zur Oxford Road. Je weiter sie vorankamen, umso mehr beschäftigte sie der Gedanke an zu Hause.
    Wer in einem Heim landet, war zu Hause selten glücklich – trotzdem ist es das Zuhause. Davey wurde auf den letzten Meilen ins Zentrum ganz kribbelig. Er hoffte, dass es diesmal gut gehen würde. Dass sich seine Eltern diesmal freuten, wenn er kam. Vielleicht würde er es schaffen, sich so zu verhalten, dass seine Eltern ihn aus Liebe bleiben ließen. Vielleicht wäre dieses Mal Geld im Haus oder seine Mum von der Flasche weg oder sein Dad würde Arbeit haben und genug Geld verdienen, dass es auch für ihn reichte.
    Schöner Traum – das wusste er genau. Aber hoffen kann man schließlich immer.
    Worauf hoffte Nick?
    Dass Jenny ihn aufnehmen würde? Wahrscheinlich war das nicht. Er hatte ihr doch bloß Stress gemacht, und außerdem war sie die Freundin seiner Mutter gewesen, nicht seine. Die ganze Zeit, die er im Heim war, hatte er nichts von ihr gehört – er fand, das sagte eigentlich alles. Wenn er nur gewusst hätte, wie sehr sie darum gekämpft hatte, ihn zurückzuholen. Und sie hätte es auch geschafft, wenn Creal nicht dazwischengegangen wäre. Aber Nick hatte keine Ahnung. Jedes Mal, wenn er an Jenny dachte, spürte er bitteren Zorn aufwallen. Jenny hatte ihn fallenlassen, kaum dass seine Mutter tot war, so schien es ihm jedenfalls. Warum sollte sie ihre Meinung geändert haben? Wenn er bei ihr aufkreuzte, würde sie ihn garantiert sofort beim Jugendamt abliefern, und das wollte er nicht riskieren.
    Aber wohin dann? Wo sollte er leben? Zum ersten Mal dämmerte ihm, dass er nichts und niemanden hatte, dass er nirgendshin konnte.
    »Ich lass mir von keinem mehr vorschreiben, was ich tun oder lassen soll«, sagte er dumpf. »Ich bleib auf der Straße.« Er nickte, als hätte er es besser getroffen als Davey.
    »Und auf welcher Straße schläfst du heute Nacht?«, fragte der unbarmherzig.
    Nick zuckte die Achseln. »Erst mal geh ich zu Freunden, bis ich selber was hab«, antwortete er. Davey blickte ihn an und bedauerte seine Bemerkung.
    »Wir sehen uns«, sagte er. »Ich bring dich zu Sonnschein.« Er nickte. »Glaub mir, der hilft uns, Alter.«
    »Du brauchst doch keinen, du kannst doch nach Hause«, sagte Nick.
    »Vielleicht«, sagte Davey.

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