Nicholas Flame Bd. 1 Der Unsterbliche Alchemyst
dicker Fellteppich. Er wies ein kunstvolles Tupfenmuster auf, das die Zwillinge keinem ihnen bekannten Tier zuordnen konnten.
Und in der Mitte des Zimmers wuchs ein Baum.
Hoch, schlank und elegant wuchs der Baum mit der roten Rinde direkt aus dem Boden. Er hatte keine Äste bis kurz unter der Decke, doch da bildeten sie dann einen dichten Baldachin. Die Blätter waren auf einer Seite von einem satten Dunkelgrün und auf der anderen weiß. Hin und wieder schwebten welche zu Boden und blieben weich und fast pelzig auf dem Boden liegen.
»Wo sind wir?« Sophie war sich nicht bewusst, dass sie den Gedanken laut ausgesprochen hatte.
«Kalifornien?«, antwortete Josh leise und in einem Ton, der vermuten ließ, dass er selbst nicht ganz glaubte, was er sagte.
»Nach allem, was wir heute gesehen haben? Ich glaube es nicht. Wir sind in einem Baum. Ein Baum, der so groß ist, dass man die gesamte Uni von San Francisco darin unterbringen könnte, ein Baum, der so alt ist, dass der Methusalembaum dagegen aussieht wie frisch gepflanzt. Und versuche gar nicht erst, mir einzureden, es sei ein Gebäude in Form eines Baumes. Alles hier ist aus Naturmaterialien.« Sie holte tief Luft und sah sich um. »Glaubst du, er lebt noch?«
Josh schüttelte den Kopf. »Ausgeschlossen. Er ist vollkommen ausgehöhlt. Vielleicht hat er vor langer Zeit einmal gelebt, aber jetzt ist er nur noch eine Hülle.«
Sophie war sich da nicht so sicher. »Josh, in diesem Zimmer ist nichts Modernes und nichts Künstliches, kein Plastik, kein Metall. Alles sieht aus wie handgeschnitzt. Es gibt nicht einmal Kerzen oder Laternen.«
»Es hat eine Weile gedauert, bis ich gemerkt habe, was es mit diesen Ölschalen auf sich hat«, bekannte Josh. Was er nicht zugab, war, dass er fast daraus getrunken hätte, weil er den schwimmenden Docht zunächst nicht bemerkt und die süß duftende Flüssigkeit für Fruchtsaft gehalten hatte.
»Mein Zimmer sieht ganz genauso aus wie deines«, fuhr Sophie fort. Sie blickte wieder auf ihr Handy. »Immer noch kein Empfang, und schau -« Sie zeigte aufs Display. »Du kannst praktisch zusehen, wie der Akku sich aufbraucht.«
Josh beugte sich zu seiner Schwester und Kopf an Kopf schauten sie auf das rechteckige Display. Die Akkuanzeige am rechten Rand fiel zusehends, ein Strich nach dem anderen verschwand. »Ob deshalb auch mein iPod nicht funktioniert?«, überlegte Josh laut und zog das Gerät aus der Tasche. »Ich habe ihn heute Morgen frisch aufgeladen. Und mein Computer macht ebenfalls keinen Mucks mehr.« Plötzlich fiel ihm etwas ein. Er blickte auf seine Uhr und hielt dann den Arm seiner Schwester hin. Auf der Anzeige der wuchtigen Digitaluhr im Military-Style war nichts zu sehen.
Sophie schaute auf ihre eigene Uhr. »Meine funktioniert noch«, stellte sie überrascht fest, um gleich darauf ihre unausgesprochene Frage zu beantworten: »Weil sie sich mechanisch aufzieht.«
»Irgendetwas muss hier Strom fressen«, murmelte Josh. »Irgendwelche Energie in der Luft?« Er hatte noch nie gehört, dass es etwas gab, das einfach so die Ladung aus Akkus und Batterien ziehen konnte.
»Es ist der Ort hier«, sagte Scathach, die gerade in der Tür erschien. Sie hatte ihre schwarze Combat-Hose und das T-Shirt gegen eine Hose und ein T-Shirt in grünbraunen Tarnfarben getauscht. Aus dem T-Shirt hatte sie die Ärmel herausgeschnitten, sodass ihre muskulösen Oberarme zu sehen waren. Dazu trug sie hohe Springerstiefel. Außerdem hatte sie sich ein kurzes Schwert ans Bein geschnallt, über ihrer linken Schulter hing ein Bogen und über ihrem Kopf schaute der obere Rand eines Köchers voller Pfeile heraus. Sophie bemerkte ein keltisch aussehendes Spiraltattoo auf Scattys rechter Schulter. Sie hatte sich immer ein Tattoo gewünscht, wusste aber, dass ihre Mutter das nie erlauben würde.
»Ihr habt einen Schritt über eure Welt hinaus in ein Schattenreich gemacht«, erklärte die Kriegerin. »Schattenreiche existieren teilweise in eurer Welt und teilweise in anderen Zeit-und-Raum-Koordinaten.« Scatty stand immer noch in der Tür.
»Willst du nicht hereinkommen?«, fragte Sophie.
»Ihr müsst mich hereinbitten«, erwiderte Scatty mit einem eigenartig scheuen Lächeln.
»Dich hereinbitten?« Sophie drehte sich mit fragend hochgezogenen Brauen zu ihrem Bruder um.
»Ihr müsst mich hereinbitten«, wiederholte Scatty, »sonst kann ich die Schwelle nicht überschreiten.«
»Wie bei Vampiren«, meinte Josh und hatte plötzlich wieder
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