Nicholas Flame Bd. 1 Der Unsterbliche Alchemyst
hindurchschlängelte und in einen achteckigen, mit weißen Wasserlilien gesprenkelten Teich mündete. Riesige rote und albinoweiße Kois schwammen in dem kristallklaren Wasser.
»Die beiden Aurafarben sind mir noch nie zusammen begegnet und noch nie bei Zwillingen. Sie besitzen gewaltige schlafende Kräfte«, sagte Flamel eindringlich. »Muss ich dich an den Codex erinnern? ›Die zwei, die eins sind, und das eine, das alles ist‹ – die allererste Prophezeiung Abrahams?«
»Ich kenne sie«, sagte Hekate und schnaubte. Ihr Gewand war jetzt von roten und schwarzen Adern durchzogen. »Ich war dabei, als der alte Dummkopf sie verkündete.«
Flamel wollte etwas fragen, hielt dann aber lieber den Mund.
»Allerdings hat er sich nie getäuscht«, fuhr Hekate leise fort. »Er wusste, dass Danu Talis in den Wellen versinken und unsere Welt untergehen würde.«
»Er hat aber genauso vorhergesagt, dass es einen neuen Anfang geben wird«, erinnerte Flamel sie. »Wenn ›die zwei, die eins sind, und das eine, das alles ist‹ da sind, wenn Sonne und Mond vereint sind.«
Hekate neigte den Kopf zur Seite und ließ den Blick aus ihren Katzenaugen noch einmal kurz hinüberhuschen zu Josh und Sophie. »Gold und Silber, Sonne und Mond.« Wieder an Flamel gewandt, fragte sie: »Glaubst du, dass die Prophezeiung sich auf sie bezieht?«
»Ja«, erwiderte er ohne Zögern. »Das glaube ich. Ich muss.«
»Warum?«
»Weil jetzt, wo ich den Codex nicht mehr habe, Dee anfangen kann, die Dunklen des Älteren Geschlechts zurückzuholen. Wenn die Zwillinge die sind, von denen die Prophezeiung spricht, könnte ich es – nach entsprechendem Training – zusammen mit ihnen schaffen, das zu verhindern – und Perenelle zu retten.«
»Und wenn du dich irrst?«
»Dann habe ich die Liebe meines Lebens verloren und diese Welt und alle Humani auf ihr sind ebenfalls verloren. Aber wenn wir auch nur die geringste Chance auf Erfolg haben wollen, brauche ich deine Hilfe.«
Hekate seufzte. »Es ist lange her … sehr lange her, dass ich einen Schüler ausgebildet habe.« Sie schaute zu Scathach hinüber. »Und der ist nicht besonders gut geraten.«
»Das ist etwas anderes. Dieses Mal würdest du mit unverbrauchtem Talent arbeiten, mit reinen, unverdorbenen Kräften. Aber wir haben nicht viel Zeit.« Flamel holte tief Luft und redete in formellem Ton weiter: »Tochter des Perses und der Asteria, du bist die Göttin der Zauberkunst und der Magie, ich bitte dich, die magischen Kräfte in den Zwillingen zu wecken.«
»Angenommen, ich tue es – was dann?«, fragte Hekate.
»Dann führe ich sie in die fünf Zweige der Magie ein. Gemeinsam werden wir den Codex zurückholen und Perenelle retten.«
Die Göttin mit den drei Gesichtern lachte bitter und zornig auf. »Sieh dich vor, Nicholas Flamel, Alchemyst, damit du nicht etwas hervorbringst, das uns alle vernichtet.«
»Wirst du es tun?«
»Ich muss es mir überlegen. Ich werde dich meine Antwort wissen lassen.«
Im Wagen auf der anderen Seite der Lichtung merkten Sophie und Josh plötzlich, dass Flamel und Hekate sich zu ihnen umgedreht hatten und sie anschauten. Ein Schauer überlief sie.
KAPITEL FÜNFZEHN
I rgendetwas stimmt mit diesem Haus nicht.« Sophie kam mit ihrem teuren Handy in das Zimmer ihres Bruders. »Ich finde nirgendwo ein Netz.« Sie ging im Zimmer umher, den Blick immer auf das Display gerichtet, aber es tat sich nichts.
Josh sah seine Schwester verdutzt an. »Etwas stimmt mit diesem Haus nicht?«, wiederholte er ungläubig. Sehr langsam fuhr er fort: »Sophie, wir befinden uns in einem Baum! Schon allein damit stimmt etwas nicht.«
Nachdem Hekate mit Flamel gesprochen hatte, war sie, ohne ein weiteres Wort mit ihnen gewechselt zu haben, im Wald verschwunden und hatte es Nicholas überlassen, sie zu ihrem Heim zu bringen. Er hieß sie den Wagen stehen lassen und führte sie auf einem schmalen, gewundenen Pfad durch den dichten Wald. Sie waren so fasziniert gewesen von der seltsamen Flora – riesige blau-rote Blüten, die sich drehten, um ihnen nachzuschauen, Ranken, die ihnen wie Schlangen hinterherkrochen, Gräser, die es seit dem Oligozän nicht mehr gegeben hatte -, dass sie gar nicht gemerkt hatten, dass der Weg breiter geworden war und sie vor dem Heim der Göttin standen. Selbst als sie aufschauten, dauerte es einige Augenblicke, bis ihnen klar wurde, was sie da sahen.
Vor ihnen, mitten auf einem offenen, leicht ansteigenden Gelände, das mit großen bunten
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