Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier
Gasse herunterkommen, wobei sie einen Bogen um Öl- und Dreckpfützen machten. Nicholas hatte Clarent dabei. Johanna hörte das Schwert sirren, als es sich dem ausgebrannten Wagen näherte, und sie fragte sich, ob es immer noch Verbindung zu Josh hatte.
»Sie sind von dem Wagen weggerannt und hier stehen geblieben«, sagte sie, ohne aufzuschauen, als die beiden bei ihr ankamen. »Dee und Machiavelli standen Josh gegenüber. Er stand dort.« Sie zeigte auf die Stelle. »Sie sind durch die Pfütze da hinten gelaufen. Man sieht deutlich die Abdrücke ihrer Schuhe.«
Sophie und Flamel beugten sich vor und schauten auf den Boden. Sie nickten, doch sie wusste, dass sie nichts erkennen konnten.
»Aber jetzt wird’s interessant. An einem Punkt zeigen Joshs Schuhe die Gasse hinunter und das Gewicht liegt auf den Ballen, fast so als wollte er wieder loslaufen. Aber dann schaut euch das hier an.« Sie zeigte auf Abdrücke von Absätzen, die nur sie sehen konnte. »Da sind die drei dann zusammen weggegangen, Dee und Josh vorneweg, Machiavelli hinterher.«
»Kannst du der Spur folgen?«, fragte Flamel.
Johanna zuckte mit den Schultern. »Vielleicht bis zum Ende der Gasse, aber darüber hinaus …« Sie erhob sich und wischte sich die Hände ab. »Ausgeschlossen. Da gibt es dann zu viele an dere Spuren.«
»Was machen wir jetzt?«, fragte Nicholas leise. »Wie wollen wir den Jungen finden?«
Johannas Blick ging von Flamel zu Sophie. » Wir können es nicht. Aber Sophie kann es.«
»Wie?«, wollte er wissen.
Johanna beschrieb mit ihrer Hand eine waagerechte Linie, die als kaum sichtbare Lichtspur in der Luft stehen blieb. In der stinkenden Gasse roch es kurz nach Lavendel. »Sie ist seine Zwillingsschwester. Sie kann seiner Aura folgen.«
Nicholas Flamel legte beide Hände auf Sophies Schultern und zwang sie, ihn anzuschauen. »Sophie!«, fuhr er sie an. »Sophie, schau mich an!«
Sophie hob den Blick und schaute den Alchemysten aus rot geränderten Augen an. Sie war völlig benommen. Scatty war tot, und jetzt war auch noch Josh verschwunden, gekidnappt von Dee und Machiavelli. Alles brach zusammen.
»Sophie«, sagte Flamel sehr leise und hielt ihren Blick fest, »du musst jetzt stark sein.«
»Wozu? Sie sind tot.«
»Sie sind nicht tot«, widersprach er voller Überzeugung.
»Aber Scatty …« Sophie hickste.
»… ist eine der gefährlichsten Frauen der ganzen Welt«, beendete er den Satz. »Sie überlebt seit mehr als zweitausend Jahren und hat schon gegen Geschöpfe gekämpft, die unendlich viel gefährlicher waren als Dagon.«
Sophie war sich nicht sicher, wen er überzeugen wollte: Sie oder sich selbst. »Ich habe gesehen, wie dieses Ding sie in den Fluss gezogen hat, und wir haben mindestens zehn Minuten gewartet. Sie ist nicht wieder aufgetaucht. Sie muss ertrunken sein.« Ihre Stimme versagte, und sie spürte, wie ihr erneut die Tränen kamen. Ihre Kehle brannte wie Feuer. Sie hatte das Gefühl, als müsste sie sich gleich übergeben.
»Ich war Zeuge, wie sie Schlimmeres überlebt hat, viel Schlimmeres.« Er brachte ein mattes Lächeln zustande. »Ich glaube, Dagon kann sich auf etwas gefasst machen! Scatty ist wie eine Katze: Die werden auch nicht gern nass. Die Seine fließt sehr schnell; sie wurden wahrscheinlich flussabwärts getrieben. Aber sie wird sich bei uns melden.«
»Wie denn? Sie weiß doch gar nicht, wo wir sind.« Sophie hasste es, wie Erwachsene logen. Sie waren so einfach zu durchschauen.
»Sophie«, sagte Flamel ernst, »wenn Scathach lebt, wird sie uns finden. Glaub mir.«
Und in diesem Augenblick merkte Sophie, dass sie dem Alchemysten nicht glaubte.
Johanna legte den Arm um sie und zog sie an sich. »Nicholas hat recht. Scatty ist …« Sie lächelte und ihr ganzes Gesicht strahlte. »Sie ist etwas ganz Besonderes. Ihre Tante hat sie einmal in einem Schattenreich in der Unterwelt ausgesetzt. Es hat Jahrhunderte gedauert, bis sie den Weg zurück fand, aber sie hat es geschafft.«
Sophie nickte bedächtig. Sie wusste, dass das, was sie sagten, stimmte – die Hexe von Endor wusste mehr über Scatty als der Alchemyst und Johanna zusammen –, aber sie wusste auch, dass sie sich große Sorgen machten.
»Und jetzt«, kam Flamel wieder auf sein eigentliches Anliegen zurück, »musst du deinen Bruder suchen.«
»Ich? Wie denn?«
»Ich höre Sirenen«, unterbrach Johanna drängend. Sie schaute die Gasse hinauf. »Jede Menge Sirenen.«
Flamel ignorierte sie. Er schaute Sophie tief in
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