Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier
einfach kein Maß und kein Ziel. 1666 hatte er fast ganz London in Schutt und Asche gelegt, in den 40er-Jahren des 19. Jahrhunderts hatte er Irland mit der großen Hungersnot zugrunde gerichtet und 1906 weite Teile von San Francisco zerstört – und jetzt hatte er die Gräber rund um Ojai geöffnet. Die Straßen mussten mit Knochen und Leichen übersät sein. Nicholas hörte gedämpft die Stimme des Reporters, dann wurde das Handy weitergegeben.
»Monsieur Montmorency?«, fragte Dora in perfektem Französisch.
»Madame! Sie sind unverletzt?«
Dora senkte die Stimme zu einem Flüstern und fuhr in einer archaischen Form der französischen Sprache fort, die kein Lauscher der heutigen Zeit verstanden hätte. »Mich umzubringen, ist nicht so einfach«, sagte sie rasch. »Dee konnte entkommen, übel zugerichtet zwar, mit Schnittwunden und blauen Flecken und sehr, sehr wütend. Euch ist nichts passiert? Scathach auch nicht?«
»Scatty geht es gut. Allerdings hatten wir eine Begegnung mit Niccolò Machiavelli.«
»Dann gibt es ihn also immer noch. Dee muss ihn informiert haben. Sei vorsichtig, Nicholas. Machiavelli ist gefährlicher, als du es dir vorstellen kannst. Und er ist noch gerissener als Dee. Aber wir haben nicht viel Zeit«, fügte sie drängend hinzu. »Der Reporter schöpft schon Verdacht. Wahrscheinlich fürchtet er, dass du eine bessere Story von mir kriegst als er. Was willst du von mir?«
»Ich brauche deine Hilfe, Dora. Ich muss wissen, wem ich in Paris vertrauen kann. Die Kinder müssen von der Straße. Sie sind vollkommen erschöpft.«
»Hm.« In der Leitung war das Rascheln von Papier zu hören. »Ich weiß nicht, wer im Augenblick in Paris ist. Aber ich finde es heraus«, meinte sie entschlossen. »Wie spät ist es bei euch?«
Er schaute auf seine Uhr und rechnete. »Halb sechs Uhr morgens.«
»Geht zum Eiffelturm. Seid um sieben Uhr dort und wartet zehn Minuten. Wenn ich jemanden finde, der vertrauens würdig ist, kommt er ebenfalls dorthin. Wenn niemand kommt, den du kennst, bist du um acht noch einmal da und dann um neun. Wenn bis neun Uhr niemand auftaucht, weißt du, dass es in Paris niemanden gibt, dem du trauen kannst, und dass du auf dich allein gestellt bist.«
»Danke, Madame Dora«, sagte er leise, »ich stehe tief in deiner Schuld und werde dir das nie vergessen.«
»Zwischen Freunden gibt es keine Schuld«, erwiderte sie. »Oh, und Nicholas, versuch, dafür zu sorgen, dass meine Enkelin nicht in Schwierigkeiten gerät.«
»Ich werde mein Bestes tun«, versprach Flamel. »Aber du kennst sie ja: Sie scheint Schwierigkeiten geradezu anzuziehen. Im Moment bewacht sie allerdings die Zwillinge in einem Café hier ganz in der Nähe. Wenigstens da kann nichts passieren.«
K APITEL Z EHN
S cathach hob das Bein, legte die Stiefelsohle an die Sitzfläche eines Stuhls und gab ihm einen kräftigen Schubs. Der Holzstuhl schlitterte über den Boden und krachte in dem Moment in die beiden Polizisten, als sie durch die Tür kamen. Sie gingen zu Boden, dem einen fiel das Funkgerät aus der Hand, dem anderen der Schlagstock. Das quäkende Funkgerät blieb vor Joshs Füßen liegen. Er beugte sich hinunter und goss seine heiße Schokolade darüber. Ein paar Funken sprühten, dann war es still.
Scathach sprang auf. Ohne den Kopf zu drehen, zeigte sie auf Roux. »Du da. Rühr dich nicht von der Stelle. Und komm gar nicht erst auf die Idee, die Polizei zu rufen.«
Joshs Herz raste, als er seine Schwester packte, sie vom Tisch wegzog und zum hinteren Teil des Cafés schob, wobei er sie mit seinem Körper deckte.
Einer der Beamten zog seine Pistole. Scattys Nunchaku traf den Lauf mit solcher Wucht, dass das Metall sich verbog und dem Mann die Waffe aus der Hand flog.
Der zweite Beamte rappelte sich auf und zog einen langen schwarzen Schlagstock. Scathach senkte die rechte Schulter und das Nunchaku änderte mitten im Schwung die Richtung. Der 30 cm lange Hartholzstab traf den Schlagstock knapp oberhalb seines kurzen Griffs und zerlegte ihn in spitze Splitter. Scathach ließ das Nunchaku zurückschnellen und in die ausgestreckte Hand fallen.
»Ich habe ausgesprochen schlechte Laune«, sagte sie in perfektem Französisch. »Und ich meine es ernst, wenn ich Ihnen rate, sich besser nicht mit mir anzulegen.«
»Scatty …«, sagte Josh erschrocken.
»Jetzt nicht«, fauchte die Kriegerin auf Englisch. »Siehst du nicht, dass ich zu tun habe?«
»Du kriegst gleich noch mehr zu tun«, rief Josh. »Viel
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