Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier
der Leitung und dann klingelte mehr als fünfeinhalbtausend Meilen entfernt das Telefon. Beim zweiten Läuten wurde abgenommen. » Ojai Valley News . Was kann ich für Sie tun?« Die Stimme der jungen Frau klang erstaunlich nah.
Nicholas sprach mit einem betont starken französischen Akzent. »Guten Morgen … oder für Sie besser: Guten Abend. Es freut mich sehr, dass ich noch jemanden antreffe. Sie sprechen mit Monsieur Montmorency aus Paris in Frankreich. Ich arbeite für die Zeitung Le Monde und habe gerade im Internet gesehen, dass die letzten Stunden bei Ihnen ziemlich aufregend waren.«
»Du liebe Zeit, wie schnell sich Nachrichten herumsprechen, Herr …«
»Montmorency.«
»Montmorency. Ja, es war einiges los. Was können wir für Sie tun?«
»Wir würden heute in der Abendausgabe gern einen Artikel platzieren. Und ich wollte hören, ob Sie vielleicht einen Ihrer Reporter am Schauplatz haben?«
»Im Moment sind sogar alle unsere Reporter vor Ort.«
»Könnten Sie mich eventuell durchstellen? Wäre das möglich? Dann kann ich mir die Sache kurz beschreiben und einen Kommentar dazu geben lassen.« Als nicht sofort eine Antwort kam, fügte er rasch hinzu: »Ihre Zeitung würde natürlich angemessen erwähnt.«
»Ich versuche, Sie mit einem unserer Reporter auf der Straße zu verbinden, Mr Montmorency.«
» Merci . Ich bin Ihnen sehr dankbar.«
Wieder klickte es in der Leitung, dann hörte er lange Zeit gar nichts. Nicholas nahm an, dass die Dame in der Telefonzentrale zuerst mit dem Reporter sprach, bevor sie das Gespräch durchstellte. Ein erneutes Klicken, dann kam noch einmal die Stimme der Frau: »Ich stelle durch …« Flamel war noch dabei, sich ein zweites Mal zu bedanken, als ein Mann sich meldete.
»Michael Carroll, Ojai Valley News . Sie rufen aus Frankreich an, wie ich gehört habe, aus Paris?« Aus der Stimme des Mannes klang ungläubiges Staunen.
»So ist es, Monsieur Carroll.«
»Wie schnell sich Nachrichten rumsprechen«, bemerkte der Reporter und wiederholte damit die Worte der Dame aus der Zeitungszentrale.
»Das Internet«, erklärte Flamel vage und fügte hinzu: »Auf YouTube gibt es ein Video.« Er zweifelte keinen Augenblick da ran, dass es auf der Internet-Plattform tatsächlich schon Videos von den Geschehnissen in Ojai gab. Er drehte sich um und schaute in das Internetcafé. Von seiner Telefonzelle aus konnte er ein halbes Dutzend Bildschirme sehen und jeder zeigte eine Webseite in einer anderen Sprache. »Man hat mich für unsere Kunst- und Kultur-Seite um ein kleines Interview mit einem Zeu gen der Vorfälle gebeten. Unser Verleger war schon oft in Ihrer schönen Stadt und hat aus einem Antiquitätengeschäft an der Ojai Avenue ein paar ganz ungewöhnliche Glasobjekte mitgebracht. Ich weiß nicht, ob Sie das Geschäft kennen. Sie verkaufen dort offenbar nur Spiegel und Glaswaren.«
»Witcherlys Antiquitäten«, sagte Michael Carroll prompt. »Ich kenne das Geschäft gut. Es wurde leider bei einer Explosion vollkommen zerstört.«
Flamel spürte, wie ihm plötzlich die Brust eng wurde. Hekate war gestorben, weil er die Zwillinge in ihr Schattenreich gebracht hatte. Hatte die Hexe von Endor dasselbe Schicksal ereilt? Er fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen und schluckte. »Und die Besitzerin, Mrs Witcherly? Ist sie …?«
»Ihr ist nichts passiert«, beruhigte der Reporter ihn, und eine Welle der Erleichterung überrollte Flamel. »Ich habe gerade eine Stellungnahme von ihr bekommen. Sie ist erstaunlich gelassen für jemanden, dessen Laden gerade in die Luft geflogen ist.« Und lachend fügte er hinzu: »Sie hat gesagt, wenn man so lange gelebt hat wie sie, bringt einen so schnell nichts mehr aus der Ruhe.«
»Ist sie noch da?«, fragte Flamel und bemühte sich, nicht zu aufgeregt zu klingen. »Ob sie wohl auch für die französische Presse eine Stellungnahme abgeben würde? Sagen Sie ihr, dass Sie Nicholas Montmorency in der Leitung haben. Wir haben schon einmal miteinander gesprochen. Ich bin sicher, sie erinnert sich an mich.«
»Ich werde schauen, was ich …« Die Stimme verlor sich, dann hörte Flamel den Reporter nach Dora Witcherly rufen. Im Hintergrund hörte er gleichzeitig das Heulen zahlloser Sirenen von Polizei, Feuerwehr und Krankenwagen und ab und zu ganz leise auch die Schreie verzweifelter Menschen.
Und das alles war seine Schuld.
Rasch schüttelte er den Kopf. Nein, es war nicht seine Schuld. Das ging auf Dees Rechnung. Dee kannte
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