Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier
mehr! Schau mal raus.«
Ein Überfallkommando mit kugelsicheren schwarzen Westen, Vollvisier-Helmen und Schilden, bewaffnet mit Schlagstöcken und Sturmfeuergewehren, kam die Straße heruntergestürmt.
»Die RAID«, flüsterte der Kellner entsetzt.
»Entspricht der SWAT«, sagte Scatty auf Englisch, »nur härter.« Es klang fast so, als freue sie sich. Mit einem Seitenblick auf Roux fragte sie barsch: »Gibt es einen Hinterausgang?«
Roux war starr vor Schreck. Er starrte die heranstürmende Spezialeinheit an und reagierte erst, als Scathach das abgerundete Ende des Nunchakus an seinem Gesicht vorbeiwirbeln ließ. Der Luftzug brachte ihn zum Blinzeln.
»Gibt es einen Hinterausgang?«, fragte sie noch einmal, allerdings auf Englisch.
»Ja, ja, natürlich.«
»Dann bring meine Freunde raus.
»Nein …«, begann Josh.
»Lass mich etwas versuchen«, sagte Sophie, der ein Dutzend Windzauber durch den Kopf gingen. »Ich kann dir doch helfen …«
»Nein!«, protestierte Josh und streckte die Hand nach seiner Schwester aus. Im selben Moment knisterte ihr blondes Haar und silberne Funken sprühten.
»Raus!«, brüllte Scatty, deren Gesicht plötzlich vollkommen verändert wirkte. Die Wangenknochen und das Kinn traten hervor, die grünen Augen funkelten. Für einen kurzen Moment hatte sie etwas Uraltes, Urweltliches – und ganz und gar Fremdes – an sich. »Ich schaff das allein.« Sie wirbelte das Nunchaku und stellte damit ein unüberwindliches Hindernis zwischen sich und die beiden Polizisten. Einer hob einen Stuhl hoch und warf ihn nach ihr, doch das Nunchaku machte Kleinholz daraus.
»Roux – bring sie raus. Sofort!«, rief Scatty.
»Hier entlang«, sagte der entsetzte Angestellte. Er lief an den Zwillingen vorbei und führte sie durch einen schmalen, kalten Flur und hinaus auf einen kleinen Hof, in dem es ekelhaft stank und wo Müllsäcke, kaputtes Mobiliar aus dem Café und das Skelett eines längst abgenadelten Weihnachtsbaums wild durcheinanderlagen. Hinter sich hörten sie Holz splittern.
Roux zeigte mit kalkweißem Gesicht auf ein rotes Tor und fuhr auf Englisch fort: »Dahinter ist die Straße. Links geht es zur Rue de Dunkerque, rechts zur Metrostation Gare du Nord.« Vom Café her kam ein gewaltiges Krachen, gefolgt vom Splittern einer Scheibe. »Eure Freundin – sie hat sie alle am Hals«, jammerte er. »Und die Raid zerlegt mir den ganzen Laden. Wie erkläre ich das nur meinem Chef?«
Drinnen krachte es wieder. Ein Ziegel rutschte vom Dach und zerschellte im Hof.
»Geht, schnell!« Er drehte an dem Kombinationsschloss und riss das Tor auf.
Sophie und Josh ignorierten ihn. »Was machen wir?«, fragte Josh seine Schwester. »Gehen oder bleiben?«
Sophie schüttelte den Kopf. Sie warf einen raschen Blick auf Roux und flüsterte: »Wohin sollen wir denn gehen? Wir kennen in dieser Stadt niemand außer Scatty und Nicholas. Wir haben kein Geld und keine Ausweise.«
»Wir könnten zur amerikanischen Botschaft gehen.« Josh wandte sich an Roux. »Gibt es in Paris eine amerikanische Botschaft?«
»Klar, in der Avenue Gabriel, neben dem Hôtel de Crillon.« Roux zuckte zusammen, als ein allmächtiges Rumsen das ganze Haus erschütterte. Die Luft war plötzlich voll feinem Staub. Die Scheibe in der Hintertür knackte und bekam einen Sprung, der sich von oben bis unten durchzog. Wieder rutschten Dachziegel in den Hof.
»Und was sagen wir in der Botschaft?«, fragte Sophie. »Sie werden wissen wollen, wie wir hergekommen sind.«
»Gekidnappt?«, schlug Josh vor. Dann fiel ihm etwas ein und ihm wurde ganz schlecht. »Und was sagen wir Mom und Dad? Wie erklären wir ihnen das alles?«
Geschirr klirrte, dann gab es einen gewaltigen Knall.
Sophie neigte den Kopf und strich sich die Haare hinters Ohr. »Das war das Schaufenster.« Sie machte einen Schritt auf die Hintertür zu. »Ich sollte ihr helfen.« Nebelschwaden ringelten sich aus ihren Fingerspitzen, als sie nach der Klinke griff.
»Nein!« Josh packte ihre Hand und statische Elektrizität knisterte zwischen ihnen. »Du darfst deine Kräfte nicht einsetzen«, sagte er drängend. »Du bist zu erschöpft. Denk dran, was Scatty gesagt hat. Du könntest verbrennen.«
»Sie ist unsere Freundin. Wir können sie nicht im Stich lassen«, fauchte Sophie. »Jedenfalls ich nicht.« Ihr Bruder war ein Einzelgänger, und es war ihm in der Schule noch nie leichtgefallen, Freundschaften zu schließen oder aufrechtzuerhalten. Sie dagegen war ausgesprochen
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