Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier
zugebracht, ihm zu zeigen, wie er Clarent halten und führen musste, ohne dass ihm die Waffe aus der Hand fiel. Sehr erfolgreich war sie nicht gewesen. Jedes Mal wenn er die schwere Waffe schwang, glitt sie ihm aus den Fingern. Der auf Hochglanz polierte Holzboden hatte schon jede Menge Einschnitte und Schrammen von der scharfen Klinge. »Es ist schwerer, als ich gedacht habe«, gab er schließlich zu. »Ich weiß nicht, ob ich es je lerne.«
»Scathach wird dir schon beibringen, wie man mit einem Schwert kämpft«, meinte Johanna zuversichtlich. »Mir hat sie es auch beigebracht. Sie hat aus einem einfachen Bauernmädchen eine Kriegerin gemacht.« Sie machte eine Bewegung aus dem Handgelenk heraus, und ihr Schwert, das beinahe so groß war wie sie selbst, beschrieb Kreise in der Luft und ächzte dabei fast wie ein Mensch. Josh versuchte, es ihr nachzumachen, und Clarent flog ihm aus der Hand. Die Spitze grub sich in den Holzboden und blieb darin stecken und der Griff schwankte hin und her.
»Sorry«, murmelte er.
»Vergiss alles, was du über Schwertkämpfe zu wissen glaubst«, sagte Scathach. Und mit einem Seitenblick auf Johanna fügte sie hinzu: »Er hat zu viele von diesen Fernsehfilmen gesehen und glaubt, dass er ein Schwert herumwirbeln kann wie einen Cheerleader-Baton.«
Johanna lächelte. Sie drehte ihr Langschwert mit Schwung um hielt es Josh so hin, dass der Griff zu ihm zeigte. »Nimm.«
Josh griff mit der rechten Hand nach dem Schwert.
»Vielleicht solltest du beide Hände nehmen«, schlug die zierliche Französin vor.
Josh ignorierte den Rat. Er schloss die Finger fest um den Griff und versuchte, ihr die Waffe abzunehmen. Er schaffte es nicht. Sie war unglaublich schwer.
»Jetzt siehst du, warum wir immer noch bei den Grundbegriffen sind«, meinte Scatty. Sie nahm Josh das Schwert ab und warf es Johanna zu, die es geschickt auffing.
»Dann lass uns mit dem Halten eines Schwerts anfangen.« Johanna stellte sich rechts neben Josh auf, Scathach links. »Augen geradeaus.«
Josh schaute in den Spiegel. Während sein Spiegelbild und das von Scathach klar umrissen waren, umgab Johanna von Orléans ein feiner silberner Nebel. Er blinzelte und kniff die Augen zu, doch als er sie wieder öffnete, war der Nebel immer noch da.
»Meine Aura«, erklärte Johanna und griff damit der Frage vor, die er gerade stellen wollte. »Normalerweise ist sie für menschliche Augen nicht sichtbar, aber auf Fotos und im Spiegel ist sie manchmal zu erkennen.«
»Du hast dieselbe Aura wie Sophie«, sagte Josh.
Johanna schüttelte den Kopf. »Oh, nein«, widersprach sie zu Joshs Überraschung, »die von deiner Schwester ist viel stärker.«
Johanna hob das Langschwert, wirbelte es herum und stellte es dann so auf den Boden, dass die Spitze zwischen ihren Füßen war. Beide Hände lagen auf dem Knauf. »Du tust jetzt genau das, was wir auch tun … und du tust es langsam.« Sie streckte den rechten Arm aus und hob das Schwert, bis es waagrecht in der Luft stand. An Joshs linker Seite hielt Scatty beide Arme mit den kurzen Schwertern ebenfalls waagrecht vor sich.
Josh umklammerte den Griff seines Steinschwertes und hob den rechten Arm. Noch bevor er ihn richtig ausgestreckt hatte, begann er, unter dem Gewicht des Schwerts zu zittern. Er biss die Zähne zusammen und versuchte, den Arm ruhig zu halten. »Es ist zu schwer«, keuchte er und senkte den Arm wieder. Er ließ die Schulter kreisen; seine Muskeln brannten. Es fühlte sich an wie beim Fußballtraining am ersten Tag nach den Sommerferien.
»Versuch es einmal so. Schau her.« Johanna zeigte ihm, wie man den Griff mit beiden Händen packt.
Er probierte es und stellte fest, dass es jetzt viel einfacher war, das Schwert waagrecht vor sich zu halten. Er versuchte es wieder mit einer Hand, und dreißig Sekunden lang schaffte er es auch, doch dann begann die Spitze erneut zu zittern. Seufzend ließ er den Arm sinken. »Es geht nicht mit einer Hand«, murmelte er.
»Sei doch nicht so ungeduldig«, erwiderte Scathach. »Irgendwann klappt es schon. Bis dahin zeige ich dir, wie du es nach der fernöstlichen Methode mit beiden Händen schwingst.«
Josh nickte. »Okay.« Er hatte jahrelang Taekwondo gemacht und immer auch noch Kendo lernen wollen, doch seine Eltern hatten es nicht erlaubt, weil sie es für zu gefährlich hielten.
»Er braucht lediglich Übung«, sagte Johanna ernst. Sie blickte auf Scathachs Spiegelbild und ihre grauen Augen blitzten.
»Wie viel Übung?«,
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