Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier
fragte Josh.
»Mindestens drei Jahre.«
»Drei Jahre?« Er holte tief Luft, wischte zuerst die eine, dann die andere Hand an seiner Hose ab und packte den Schwertgriff erneut. Er schaute auf sein Spiegelbild und hob beide Arme. »Hoffentlich stellt Sophie sich geschickter an als ich«, murmelte er.
Der Comte de Saint-Germain war mit Sophie hinaufgegangen zu dem winzigen Dachgarten des Hauses. Die Aussicht über Paris war grandios. Sophie stützte die Arme auf die Balustrade und schaute hinunter auf die Champs-Élysées. Der Verkehr hatte endlich nachgelassen. Nur hin und wieder fuhr noch ein Auto vorbei, sonst war die Stadt ruhig und still. Sophie atmete tief durch. Die Luft war kalt und feucht. Der leicht modrige Geruch der Seine wurde überdeckt vom Kräuterduft aus Dutzenden von dicht bepflanzten Töpfen und kunstvoll verzierten Blumenkübeln, die auf dem ganzen Dach verteilt waren. Sophie bekam Gänsehaut. Sie schlang die Arme um ihren Körper und rieb sie kräftig.
»Kalt?«, fragte Saint-Germain.
»Ein wenig«, antwortete sie, obwohl sie sich nicht sicher war, ob sie tatsächlich fror oder nur nervös war. Sie wusste, dass Saint-Germain mit ihr hier heraufgekommen war, um ihr eine Lektion in der Feuermagie zu erteilen.
»Nach dieser Nacht wird es dich nie mehr frieren«, versprach Saint-Germain. »Dann kannst du in Shorts und T-Shirt durch die Antarktis spazieren und spürst nichts.« Er strich sich das lange Haar aus dem Gesicht, dann zupfte er ein Blatt von einer Pflanze und zerrieb es zwischen den Handflächen. Ein frischer Pfefferminzduft erfüllte die Luft. »Johanna kocht leidenschaftlich gern. Hier oben pflanzt sie alle ihre Kräuter an«, erklärte er und atmete den Duft tief ein. »Sie hat ein Dutzend verschiedene Minzesorten, dazu Oregano, Thymian, Salbei und Basilikum. Und natürlich Lavendel. Sie liebt Lavendel. Er erinnert sie an ihre Kindheit.«
»Wo hast du Johanna eigentlich kennengelernt? Hier in Frank reich?«
»Hier sind wir uns endlich nähergekommen, aber du wirst es nicht glauben, zum ersten Mal getroffen habe ich sie in Kalifornien, und zwar 1849. Ich habe ein bisschen Gold geschürft und Johanna hat als Missionarin gearbeitet. Sie hat eine Suppenküche und ein Krankenhaus für die Goldsucher geleitet.«
Sophie runzelte die Stirn. »Du warst während des Goldrauschs in Kalifornien? Warum?«
Saint-Germain zuckte mit den Schultern und sah etwas verlegen aus. »1848/49 ist halb Amerika in den Westen gezogen, um Gold zu suchen. Da bin ich eben mitgegangen.«
»Ich dachte, du kannst selbst Gold machen. Nicholas sagt, dass er es kann.«
»Gold herzustellen, ist ein langer, mühseliger Prozess. Ich dachte, es sei leichter, es einfach aus dem Boden zu holen. Und wenn ein Alchemyst erst einmal ein bisschen Gold hat, kann er es vermehren. Das hatte ich vor. Aber das Land, das ich gekauft habe, hat sich als wertlos herausgestellt. Also habe ich ein paar Körnchen Gold darauf verteilt und es dann an Neuankömmlinge weiterverkauft.«
»Aber das ist Betrug«, sagte Sophie schockiert.
»Ich war jung damals«, meinte Saint-Germain. »Und hungrig. Aber das ist keine Entschuldigung«, fügte er hinzu. »Jedenfalls arbeitete Johanna in Sacramento und traf immer wieder Leute, die wertloses Land von mir gekauft hatten. Sie hielt mich für einen Scharlatan – was ich ja auch war –, und ich sie für einen dieser unerträglichen Gutmenschen. Ich wusste natürlich nicht, dass sie unsterblich ist, und sie wusste es von mir genauso wenig. Es war Abneigung auf den ersten Blick. Im Lauf der Jahre sind wir uns dann immer wieder begegnet, schließlich auch im Zweiten Weltkrieg hier in Paris. Sie hat in der Widerstandsbewegung gekämpft und ich habe für die Amerikaner spioniert. In dieser Zeit haben wir begriffen, dass wir anders sind als die anderen. Wir überlebten den Krieg und sind seitdem unzertrennlich, auch wenn sich Johanna sehr im Hintergrund hält. Keiner meiner Fans weiß, dass ich verheiratet bin, geschweige denn die Journalisten und Klatschzeitungen. Wir hätten wahrscheinlich ein Vermögen machen können, wenn wir die Hochzeitsbilder verkauft hätten, aber Johanna zieht es vor, so gut wie nie in Erscheinung zu treten.«
»Warum?« Sophie wusste, dass Promis Wert auf ihre Privatsphäre legen, doch dass jemand gar nicht an die Öffentlichkeit ging, erschien ihr dann doch seltsam.
»Na ja, du darfst nicht vergessen, dass die Leute sie, als sie das letzte Mal berühmt war, auf dem
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