Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier
Scheiterhaufen verbrennen wollten.«
Sophie nickte. Unsichtbar zu bleiben, erschien ihr plötzlich durchaus erstrebenswert. »Wie lange kennst du Scathach?«, fragte sie.
»Jahrhunderte. Als Johanna und ich ein Paar wurden, haben wir festgestellt, dass wir viele gemeinsame Bekannte haben. Alles Unsterbliche, versteht sich. Johanna kennt sie schon viel länger als ich. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob irgendjemand von sich behaupten kann, dass er die Schattenhafte wirklich kennt«, fügte er mit einem bitteren Lächeln hinzu. »Sie wirkt immer so …« Er suchte nach dem richtigen Wort.
»Verschlossen?«
»Ja. Verschlossen.« Er schaute über die Stadt, schüttelte dann traurig den Kopf und sah Sophie über die Schulter hinweg an. »Weißt du eigentlich, wie oft sie schon ganz allein gegen die Dunklen Älteren gekämpft hat, wie oft sie sich größten Gefahren ausgesetzt hat, um die Welt vor ihnen zu bewahren?«
Sophie schüttelte den Kopf, doch gleichzeitig kamen ihr Bilder in den Sinn, Bruchstücke aus dem Gedächtnis der Hexe:
Scathach in einer Rüstung aus Leder und Ketten, wie sie mit zwei blitzenden Schwertern in den Händen mitten auf einer Brücke stand und wartete, während sich an einem Ende zwei riesige, schneckenähnliche Monster aufstellten. Scathach in voller Eisenrüstung, wie sie unter dem Tor eines herrlichen Schlosses stand, die Arme vor der Brust verschränkt, das Schwert vor ihr in den Boden gerammt, während sich ihr gegenüber eine ganze Armee von Riesenechsen formierte. Scathach, die in Kleidern aus Robbenfell auf einer schwimmenden Eisscholle balancierte, umgeben von Kreaturen, die aussahen, als seien sie selbst aus Eis geschnitzt.
Sophie leckte sich über die Lippen. »Warum … warum tut sie das?«
»Wenn du das beantworten kannst, kannst du auch die Frage beantworten, wer sie ist. Was sie ist.« Saint-Germain schaute Sophie mit einem traurigen Lächeln an. »Sie kennt nichts anderes; so viel steht fest. Und jetzt«, fuhr er geschäftsmäßig fort und rieb die Handflächen aneinander, bis Funken und Asche-flocken daraus aufstiegen, »will Nicholas, dass du Feuermagie lernst. Bist du nervös?«
»Ein wenig schon. Hast du schon andere Schüler ausgebildet?«, erkundigte sich Sophie zögernd.
Saint-Germain grinste und zeigte dabei seine unregelmäßigen Zähne. »Nein, noch nie. Du bist die erste. Und wahrscheinlich auch meine letzte.«
Sophies Magen schlug einen Purzelbaum und plötzlich schien ihr das Ganze gar keine so gute Idee mehr zu sein. »Wieso sagst du das?«
»Na ja, die Chance, noch einmal jemandem zu begegnen, dessen magische Kräfte geweckt wurden, sind nicht eben hoch, und die Chance, einen Menschen mit einer so reinen Aura zu finden, ist praktisch gleich null. Eine silberne Aura ist unwahrscheinlich selten. Johanna war die letzte Humani, die eine mitbekam, und sie wurde 1412 geboren. Du bist wirklich etwas ganz Besonderes, Sophie Newman.«
Sophie schluckte trocken. Sie fühlte sich gar nicht so besonders.
Saint-Germain setzte sich auf eine einfache Holzbank, die vor dem Kaminvorsprung stand. »Setz dich zu mir, dann erzähle ich dir, was ich weiß.«
Sophie setzte sich neben den Comte de Saint-Germain und schaute über den Dachgarten und über die Stadt. Erinnerungen, die nicht ihre waren, flackerten am Rand ihres Bewusstseins auf. Sie ließen eine Stadt mit völlig anderer Skyline erahnen, eine Stadt mit niedrigen Gebäuden, die sich um eine gewaltige Festung scharten, und mit Tausenden von Rauchfahnen, die in die Nacht hinaufstiegen.
Saint-Germain wandte sich dem Mädchen zu. »Gib mir deine Hand«, sagte er leise. Sophie legte ihre rechte Hand in seine und sofort durchströmte sie ein warmes Gefühl; alle Kälte war wie weggeblasen. »Ich möchte dir erzählen, was mein eigener Lehrer mir über das Feuer gesagt hat.« Während er sprach, strich der Graf mit seinem Zeigefinger über die Handfläche des Mädchens, wobei er dem Muster ihrer Handlinien folgte. »Mein Lehrer hat gesagt, dass es Leute gibt, die behaupten, die Magie der Luft oder des Wassers oder auch die der Erde sei die stärkste. Sie irren sich. Die Magie des Feuers übertrifft alle anderen.«
Die Luft direkt vor ihnen begann zu leuchten, dann zu flimmern wie bei großer Hitze, und Sophie sah, wie Rauch entstand und zu den Worten Saint-Germains tanzte, wie er Bilder und Symbole entstehen ließ. Sie wollte die Hand ausstrecken und diese Bilder berühren, blieb aber reglos sitzen. Dann verschwamm
Weitere Kostenlose Bücher