Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier
allen Seiten anschauen konnte.
Unvermittelt ergriff Josh ihre Hand und wies auf den roten Punkt in dem goldenen Kreis auf der Unterseite ihres Handgelenks. »So etwas habe ich schon mal gesehen«, sagte er nachdenklich und versuchte, sich stirnrunzelnd zu erinnern.
Seine Schwester nickte. »Ich habe auch eine Weile gebraucht, doch dann ist mir eingefallen, dass Nicholas etwas Ähnliches auf seinem Handgelenk hat. Einen Kreis mit einem Kreuz darin.«
»Genau!« Josh schloss die Augen. Das kleine Tattoo an Flamels Handgelenk war ihm schon aufgefallen, als er angefangen hatte, in der Buchhandlung zu arbeiten. Er hatte sich zwar gewundert, warum es an einer so ungewöhnlichen Stelle saß, hatte aber nie nachgefragt. Josh öffnete die Augen wieder und betrachtete noch einmal Sophies Tattoo, und plötzlich wurde ihm bewusst, dass seine Schwester durch einen Zauber gebrandmarkt war, ausgewiesen als jemand, der Macht über die Elemente hatte. Es gefiel ihm nicht. »Wozu brauchst du es?«
»Wenn ich Feuer erzeugen will, drücke ich auf den Punkt und konzentriere meine Aura. Saint-Germain hat es eine Abkürzung genannt, einen Beschleuniger für meine Kräfte.«
»Dann möchte ich wissen, wozu Flamel einen Beschleuniger braucht«, überlegte Josh laut.
Der Kessel pfiff und Sophie drehte sich zum Herd um. Sie hatte sich dieselbe Frage auch schon gestellt. »Vielleicht können wir ihn fragen, wenn er aufwacht.«
»Hm. Gibt’s noch Toast? Ich bin am Verhungern.«
»Du bist ständig am Verhungern.«
»Na ja, Schwerttraining macht hungrig.«
Sophie spießte ein Stück Brot auf eine Gabel und hielt sie auf Brusthöhe vor sich hin. »Pass auf.« Sie drückte auf die Unterseite ihres Handgelenks und aus ihrem Zeigefinger schoss eine Flamme. Sie richtete ihre ganze Konzentration darauf, bis aus der lodernden Flamme ein dünner blauer Feuerstrahl wurde, mit dem sie über das Brot strich und es vorsichtig toastete. »Willst du beide Seiten getoastet haben?«
Josh beobachtete sie mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen. Aus dem Physikunterricht wusste er, dass Brot bei ungefähr 150 °C toastete.
K APITEL A CHTUNDZWANZIG
M achiavelli saß neben Dr. John Dee auf der Rückbank seiner überlangen Limousine. Ihnen gegenüber saßen die drei Disir. Dagon, die Augen hinter seiner Wraparound-Sonnenbrille verborgen, fuhr den Wagen. Es roch leicht fischig.
Das Summen eines Handys brach das unangenehme Schweigen. Machiavelli klappte sein Gerät auf, ohne auf das Display zu schauen. Fast im selben Moment schloss er es wieder. »Alles klar. Meine Männer haben sich zurückgezogen. Sämtliche Straßen, die zum Haus führen, sind abgeriegelt. Niemand kann das Gebiet versehentlich betreten.«
»Kommt auf gar keinen Fall ins Haus, egal, was passiert«, warnte eine der Disir. »Wenn wir Nidhogg loslassen, haben wir so gut wie keine Kontrolle über ihn, bis er gefressen hat.«
John Dee beugte sich vor, und einen Augenblick lang sah es so aus, als wollte er der jungen Frau das Knie tätscheln. Ihr Blick hielt ihn davon ab. »Flamel und die Kinder dürfen nicht entkommen.«
»Das klingt wie eine Drohung, Doktor«, sagte die Kriegerin, die auf der linken Seite saß. »Oder wie ein Befehl.«
»Und wir mögen keine Drohungen«, sagte ihre Schwester auf der rechten Seite. »Und wir nehmen auch keine Befehle entgegen.«
Dee blinzelte. »Es ist weder eine Drohung noch ein Befehl. Lediglich eine … Bitte.«
»Wir sind nur wegen Scathach hier«, beharrte die Kriegerin mit den dunkelsten Augen. »Die anderen interessieren uns nicht.«
Der Wagen hielt an. Dagon stieg aus und öffnete die hintere Tür. Ohne einen Blick zurückzuwerfen, traten die Walküren ins erste schwache Licht des Morgens. Langsam gingen sie die Gasse hinter den Häusern hinunter. Sie sahen aus wie drei junge Frauen, die nach einer durchtanzten Nacht nach Hause gehen.
Dee wechselte die Bank und setzte sich Machiavelli gegenüber. »Wenn sie Erfolg haben, werde ich dafür sorgen, dass unsere Meister wissen, wer die Idee mit den Disir hatte«, sagte er jovial.
»Daran zweifle ich nicht«, erwiderte Machiavelli. Er schaute den englischen Magier nicht an dabei, sondern hielt den Blick auf die drei jungen Frauen gerichtet. »Und wenn sie keinen Erfolg haben, kannst du unseren Meistern auch sagen, dass die Disir meine Idee waren. Dann hast du dir nichts vorzuwerfen«, fügte er hinzu. »Die Schuld immer auf andere abwälzen – auf die Strategie bin ich, wenn ich mich
Weitere Kostenlose Bücher