Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier
nickte Richtung Gasse. »Und das könnte schon bald der Fall sein.«
Die Runensteine auf dem Boden zischten und brutzelten.
Es waren unregelmäßig geformte, flache Steinplättchen, auf denen gezackte Linien eingeritzt waren, Rechtecke und Striche. Die Zeichen glühten inzwischen rot und dunkelroter Rauch ringelte sich in die windstille Luft.
Eine der Disir rückte drei der Runensteine mit der Schwert-spitze zusammen. Eine andere schob einen Stein mit der Stahl-spitze ihres Stiefels beiseite und bugsierte dafür einen anderen an Ort und Stelle. Die dritte entdeckte einen einzelnen Stein am Rand des Haufens und schob ihn mit ihrem Schwert ans Ende der Reihe.
»Nidhogg«, flüsterten die Disir. Sie riefen den Albtraum, dessen Name auf den urzeitlichen Plättchen zu lesen war.
»Nidhogg«, sagte Machiavelli sehr leise. Er schaute über Dees Schulter auf Dagon, der stur geradeaus blickte und sich für das, was zu seiner Linken passierte, anscheinend überhaupt nicht interessierte. »Ich weiß in etwa, was die Legende darüber erzählt, aber was ist es noch einmal genau, Dagon? Sag es uns.«
»Meine Leute nannten ihn den Leichenverschlinger«, sagte der Fahrer blubbernd. »Es gab ihn schon, bevor unser Clan die Meere bevölkerte, und wir waren unter den Ersten, die diesen Planeten bewohnten.«
Dee drehte sich rasch um und schaute den Fahrer an. »Was bist du?«
Dagon ignorierte die Frage. »Nidhogg war so gefährlich, dass das Ältere Geschlecht einen Rat einberief, der ein grauenhaftes Schattenreich erschuf, das sie Niflheim nannten, Welt der Dunkelheit, um ihn in Schach zu halten. Dann nahmen sie die unzerreißbaren Wurzeln des Yggdrasil, wickelten Nidhogg hinein und fesselten ihn damit bis in alle Ewigkeit.«
Machiavelli hielt den Blick auf den rötlich schwarzen Rauch geheftet, der von den Runensteinen aufstieg. Er glaubte, bereits die Umrisse einer Gestalt darin zu erkennen. »Warum haben
die Älteren ihn nicht umgebracht?«
»Nidhogg war eine Waffe«, erwiderte Dagon.
»Wozu brauchten die Älteren eine Waffe?«, überlegte Machiavelli laut. »Ihre Kräfte waren fast grenzenlos. Sie hatten keine Feinde.«
Dagon behielt beide Hände am Lenkrad, nur seine Schultern bewegten sich leicht, und dann drehte er den Kopf um fast 180 Grad, damit er Dee und Machiavelli anschauen konnte. »Die Älteren waren nicht die Ersten auf diesem Planeten. Es gab noch … andere .« Er betonte jeden Buchstaben des Wortes. »Die Älteren setzten Nidhogg und einige der anderen urzeitlichen Wesen als Waffen im Großen Krieg ein, um diese anderen vollkommen zu vernichten.«
Ein sprachloser Machiavelli schaute Dee an, der von der Enthüllung genauso geschockt war.
Dagon verzog die Lippen zu etwas, das ein Lächeln hätte sein können, und zeigte seine Zähne dabei. »Ihr solltet vielleicht noch wissen, dass die Disir, die Nidhogg das letzte Mal eingesetzt haben, die Kontrolle über die Bestie verloren. Die hat dann alle aufgefressen. In den drei Tagen, die es gedauert hat, um sie wieder einzufangen und mit den Wurzeln des Yggdra sil zu fesseln, hat sie das Volk der Anasazi in dem Gebiet, das heute Neumexiko ist, vollkommen ausgelöscht. Man sagt, Nidhogg habe zehntausend Humani gefressen und immer noch nach mehr gelechzt.«
»Können diese Disir ihn unter Kontrolle halten?«, fragte Dee.
Dagon zuckte mit den Schultern. »In Neumexiko haben es dreizehn der besten Disir-Krieger nicht geschafft …«
»Vielleicht sollten wir – «, begann Dee.
Machiavelli zuckte zusammen. »Zu spät«, flüsterte er. »Er ist da.«
K APITEL N EUNUNDZWANZIG
I ch gehe ins Bett.« Mit einem Glas Wasser in der Hand blieb Sophie an der Küchentür stehen und blickte sich noch einmal zu ihrem Bruder um, der am Tisch saß. »Francis will mir heute Vormittag ein paar spezielle Feuerzauber beibringen. Er hat versprochen, mir auch den Feuerwerkstrick zu zeigen.«
»Super, dann brauchen wir für Silvester nie mehr Feuerwerkskörper zu kaufen.«
Sophie lächelte müde. »Bleib nicht mehr zu lange auf. Die Nacht ist so gut wie vorbei.«
Josh stopfte sich noch eine Scheibe Toast in den Mund und nuschelte: »Ich bin immer noch auf pazifische Zeit eingestellt, aber in ein paar Minuten bin ich auch oben. Scatty will morgen mit meinem Schwerttraining weitermachen. Ich freue mich schon darauf.«
»Lügner, Lügner!«
Er grunzte. »Du hast deine Magie, die dich schützen kann, ich habe lediglich ein Steinschwert, um mich zu verteidigen.«
Unüberhörbar
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