Nicholas Flamel Bd. 3 Die mächtige Zauberin
Hexe von Endor zu schützen. Sie brauchte das Wissen der Hexe über den Archon Cernunnos.
Gerüchte, Satzfetzen, unter dem Siegel der Verschwiegenheit weitererzählte Geschichten.
Er war einmal schön gewesen, groß, stolz und hochmütig. Ein angesehener Wissenschaftler, der zunächst Experimente mit anderen gemacht hatte. Später, als das verboten wurde, war er auf Selbstversuche umgestiegen, die irgendwann zu abstoßenden Veränderungen geführt hatten. An seinem Schädel hatten sich knöcherne Auswüchse gezeigt und die Zehen waren zu Hufen zusammengewachsen. Nur sein Gesicht war geblieben, als entsetzliche Erinnerung an seine ehemalige Schönheit. Der unbegreifliche Lauf der Zeit hatte seinen herausragenden Intellekt zerstört, sodass er jetzt kaum mehr war als ein Tier. Uralt und mächtig, besaß er immer noch die Fähigkeit, Menschen in wolfsähnliche Wesen zu verwandeln. Er lebte in einem fernen Schattenreich voller dunkler, modriger Wälder …
Kein Tier mag Feuer, überlegte Sophie, und wenn das Reich des Archon aus feuchten Wäldern bestand, hatte er wahrscheinlich Angst davor. Ganz kurz flackerte bei ihr selbst Furcht auf: Was wäre, wenn ihre Feuermagie sie wieder im Stich ließe? Doch sie schob den Gedanken gleich wieder beiseite. Dieses Mal würde alles gut gehen. In dem Augenblick, bevor sie den Finger auf ihr Tattoo drückte und die Magie des Feuers herbeirief, setzte sie mit einem winzigen Teil ihrer Aura die Luftmagie ein.
Ein Tornado umbrauste den Archon. Die Überreste der Wilden Jagd wirbelten auf, jedes einzelne Staub- und Sandkörnchen hob sich in die Luft und legte sich zu einer dicken, sirrenden Decke um Cernunnos. Er schlug die Hände vors Gesicht, weil er nichts mehr sah und Mund und Nase voller Dreck waren. In diesem Moment drückte Sophie den Daumen auf den Tattoo-kreis und entzündete die Staubwolke. In der letzten Sekunde, bevor sie bewusstlos zu Boden sank, hörte sie noch den Schrei des Gehörnten Gottes. Es war das entsetzlichste Geräusch, das sie je vernommen hatte.
»Josh«, keuchte Dee, während er verzweifelt die gewaltigen Hiebe parierte, von denen seine Arme schon ganz taub waren. »Es gibt noch so vieles, das du nicht weißt. So vieles, was ich dir sagen kann. Fragen, die ich dir beantworten kann.«
»Es gibt vieles, was ich bereits über dich weiß, Magier.« Jedes Mal wenn die Zwillingsklingen sich berührten, stiegen bläulich weiße und schwarzrote Funken auf und brannten sich in die Haut der Kämpfer. Josh hatte dunkle Punkte im Gesicht und Dees Anzug war mit Brandlöchern übersät und völlig ruiniert. »Du. Wolltest. Den. Archon. Töten.« Josh verlieh jedem Wort mit einem Hieb Nachdruck.
»Du kennst Clarent«, ächzte Dee. »Du hast eine Ahnung davon bekommen, welche Kräfte es hat. Du weißt, was es kann. Überlege doch: Wer den Archon tötet, besitzt das Wissen von Jahrtausenden, von Hunderten von Jahrtausenden. Er kennt die Geschichte der Welt von Anbeginn an. Und nicht nur die Geschichte dieser Welt. Auch die von Myriaden anderer Welten.«
Plötzlich brach eine gewaltige, nach Vanille duftende Hitzewelle über sie herein und zwang sie beide auf die Knie. Dee hatte mit dem Gesicht zum Archon gestanden und war rückwärts getaumelt. Geblendet vom Licht, schlug er die Hände vors Gesicht. Josh rollte herum, sah den Gehörnten Gott eingeschlossen von grüngoldenen Flammen und seine Schwester, die bewusstlos zu Boden sank. Ihm wurde schlecht vor Angst. Er kauerte sich auf Hände und Knie – und stellte fest, dass Excalibur neben seiner rechten Hand auf dem Boden lag. Instinktiv schlossen sich seine Finger um den Griff, und ein stechender Schmerz schoss durch seine linke Hand, mit der er Clarent hielt. Er versuchte, die Klinge des Verräters fallen zu lassen, aber es ging nicht – sie klebte an seiner Handfläche, und er konnte die Faust nicht öffnen. Hellrotes Blut sickerte durch seine Finger.
Er ließ Excalibur los und der irrsinnige Schmerz in der linken Hand ließ nach. Er rappelte sich auf, fuhr mit Clarents Klinge unter Excaliburs Griff und ließ das Schwert durch die Luft segeln. Dann lief er um den Wagen herum zu seiner Schwester.
Dee kam auf die Knie und blinzelte grelle Nachbilder fort. Er sah, wie Josh Excalibur durch die Luft fliegen ließ und wie es im qualmenden Burggraben landete. Einen Herzschlag lang schwamm es auf dem zähen schwarzen Öl, dann begann dieses heftig zu blubbern und die Waffe versank.
Josh fiel entsetzt auf die Knie. Er
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