Nicholas Flamel Bd. 3 Die mächtige Zauberin
Schattenhaften, an ihrer Seite, würde sie nichts aufhalten können – nicht einmal die Sphinx und der alte Mann aus dem Meer.
Gewaltige schwarze Flügel schlugen und knatterten, und Perenelle beobachtete, wie die Krähengöttin in Spiralen von der Spitze des Leuchtturms heruntersegelte und auf dem Pier fast direkt unter ihr landete. Perenelle runzelte die Stirn. Was dachte die Göttin sich nur dabei? Scathach würde sie wahrscheinlich an die Nereiden verfüttern; die waren nicht wählerisch bei dem, was sie aßen.
Sie wollte gerade aufstehen und den Wachturm verlassen, als de Ayalas Gesicht verschwommen vor ihr auftauchte. Der Geist hatte ganz große Augen vor Schreck. »Runter. Bleib unten.«
Perenelle presste sich auf den Boden. Sie hörte das Blubbern eines Außenbordmotors und das Schaben von Holz auf Holz, als das Boot gegen das Dock schrammte. Und dann eine Stimme. Die eines Mannes.
»Was für eine Ehre, dich hier zu treffen, Madame.«
Die Stimme hatte etwas, etwas entsetzlich Vertrautes … Perenelle kroch ans Geländer und lugte hinunter. Fast direkt unter ihr verneigte sich der unsterbliche Niccolò Machiavelli tief vor der Krähengöttin. In dem jungen Mann, der jetzt aus dem Boot stieg, erkannte Perenelle den Unsterblichen, den sie am Tag zuvor dabei erwischt hatte, wie er ihr nachspionierte.
Machiavelli richtete sich wieder auf und hielt einen Umschlag in die Höhe. »Ich habe Anweisungen von unserem Meister. Wir sollen die schlafende Armee wecken und die Zauberin töten. Wo ist sie?«
Die Krähengöttin lächelte grausam. »Ich bringe dich hin.«
K APITEL D REIUNDSECHZIG
D ie Zwillinge schliefen und hatten identische Träume.
Sie träumten von Regen und herabstürzenden Wassermassen, von hohen Wasserfällen, riesigen Wellen und einer Flut, die die Erde einmal fast zerstört hätte.
Sie zuckten im Traum mit Armen und Beinen und murmelten in verschiedenen Sprachen vor sich hin, und irgendwann riefen Sophie und Josh gleichzeitig in einem Dialekt, den Gilgamesch als altägyptisch erkannte und der sich vor über fünftausend Jahren entwickelt hatte, nach ihrer Mutter.
Im Lauf des Tages war Flamel ein Dutzend Mal versucht gewesen, die Zwillinge zu wecken, doch Gilgamesch und Palamedes wachten über sie. Der König hatte sich ein Fass neben Josh gezogen und der Ritter hatte sich auf eine kaputte Kiste neben Sophie gehockt. Die beiden Männer kratzten ein Spielbrett in die Erde und spielten mit Steinen und Samen endlos Dame. Sie sprachen kaum dabei, nur um den Punktestand anzusagen, den sie dann mit abgebrochenen Ästchen in den Boden kratzten.
Als Flamel sich den Zwillingen das erste Mal genähert hatte, hatten die beiden Männer misstrauisch aufgeschaut. »Lass sie. Sie müssen schlafen«, hatte Gilgamesch nachdrücklich gesagt. »Die Magie des Wassers ist einzigartig. Im Gegensatz zu den anderen Zweigen der Magie, die alle von außerhalb kommen – Formeln, die man sich merken kann, eine Aura, die aufgeladen und geformt werden kann –, kommt die Kraft der Wassermagie von innen. Wir sind alle Kreaturen des Wassers. Das ist die Magie, mit der wir geboren werden. Ich habe das Wissen im Inneren ihrer Zellen, in ihrer DNA geweckt. Jetzt müssen sich ihre Körper umstellen, sie müssen sich anpassen und aufnehmen, was sie gerade gelernt haben. Sie jetzt zu wecken, wäre einfach zu gefährlich.«
Flamel verschränkte die Arme und sah auf die schlafenden Zwillinge hinunter. »Und wie lange sollen wir hier herumsitzen und warten?«
»Den ganzen Tag und die ganze Nacht, wenn es sein muss«, antwortete Gilgamesch barsch.
»Dee nimmt dieses Land auf der Suche nach uns auseinander, meine Perenelle sitzt auf einer Insel voller Monster fest. Wir können doch nicht nur – «, begann Flamel wütend.
»Oh doch, wir können. Und wir werden.« Palamedes richtete sich langsam zu seiner vollen Größe auf und sah verächtlich auf den Alchemysten herunter. Die Narben unter seinen Augen waren helle Striche in der dunklen Haut. »Du hast mir gesagt, dass du kein Mörder bist.«
»Bin ich auch nicht!«
»Aber ich.«
»Soll das eine Drohung sein?«
»Ja«, antwortete der Ritter ohne Umschweife. »Ungeduld und Dummheit verlangen mehr Opfer als jede Waffe. Du wirst tun, was der König sagt. Wenn du die Zwillinge jetzt weckst, bringst du sie um.« Er schwieg kurz und fügte dann bitter hinzu: »Genauso wie du die anderen vor ihnen umgebracht hast.« Er blickte auf Sophie und Josh hinunter. »Hast du dich je
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