Nicholas Flamel Bd. 3 Die mächtige Zauberin
belästige sie doch nicht, ich frage nur …«
»Du bist unsterblich, William, aber nicht unverwundbar.« Machiavelli lächelte. »Die Morrigan wird in den keltischen Ländern als Göttin des Todes verehrt. Das sollte dir einiges über sie sagen.« Er blieb unvermittelt stehen. »Was war das?«
Billy the Kid fuhr mit der Hand unter seine Jacke und brachte ein fast vierzig Zentimeter langes Bowiemesser zum Vorschein. Seine Miene veränderte sich: Von einem Augenblick zum nächsten wurde sie hart. »Was?«
Machiavelli brachte den Amerikaner mit erhobener Hand zum Schweigen. Er neigte den Kopf zur Seite und lauschte konzentriert. »Es klingt wie …«
»… ein Außenbordmotor!« Billy machte auf dem Absatz kehrt und sprintete davon.
Machiavelli warf der Krähengöttin noch einen argwöhnischen Blick zu, dann drehte auch er sich um und lief den Korridor zurück.
Nur Augenblicke später bog die Sphinx um die Ecke. Als sie die Krähengöttin sah, blieb sie stehen. Die beiden Frauen verbeugten sich höflich. Sie waren über mehrere Umwege miteinander verwandt. »Ich dachte, ich hätte etwas gehört«, sagte die Sphinx.
»Sie auch.« Das Lächeln der Krähengöttin war grausam.
Flamel hatte nie Auto fahren gelernt, aber Perenelle hatte vor zehn Jahren endlich Fahrstunden genommen und nach sechs Wochen Unterricht die Prüfung auf Anhieb bestanden. Sie hatten nie ein Auto gekauft, doch Perenelle hatte nichts von dem Gelernten vergessen. Sie brauchte ein paar Augenblicke, um dahinterzukommen, wie man das kleine gelbe Motorboot bediente. Dann drehte sie den Schlüssel im Zündschloss, drückte aufs Gas, und schon schäumte der Außenbordmotor das Wasser weiß auf. Sie kurbelte am Lenkrad, gab noch mehr Gas, und das Boot entfernte sich in rasantem Tempo von der Insel Alcatraz, wobei es ein weißes V hinter sich herzog.
De Ayalas Gesicht erschien in der Gischt, die über dem Bug ins Boot spritzte. »Ich dachte, du wolltest kämpfen.«
»Kämpfen ist immer die letzte Möglichkeit.« Perenelle musste schreien, um den Wind und das Röhren des Motors zu übertönen. »Wenn Scathach und Johanna gekommen wären, hätte ich es vielleicht mit der Sphinx und den beiden Unsterblichen aufgenommen. Aber nicht alleine.«
»Was ist mit der Spinnengöttin?«
»Areop-Enap kann auf sich selbst aufpassen. Sie können nur hoffen, dass sie nicht mehr auf der Insel sind, wenn sie aufwacht. Sie wird dann Hunger haben und die Urspinne hat einen gesegneten Appetit.«
In der Ferne hörte Perenelle jemanden rufen. Sie drehte sich um. Machiavelli und sein Begleiter standen am Pier. Der Italiener rührte sich nicht, doch sein Begleiter wedelte mit den Armen, wobei ein Messer in seiner Hand das Sonnenlicht reflektierte.
»Werden sie nicht ihre Magie einsetzen?« , fragte de Ayala.
»Magie verliert über fließendem Wasser ihre Wirkung.« Perenelle grinste.
»Ich fürchte, ich muss dich verlassen, meine Liebe. Ich muss zur Insel zurück.« Das Gesicht des Geistes begann, sich in Gischt aufzulösen.
»Danke, Juan, für alles, was du getan hast«, sagte Perenelle in formellem Spanisch. »Ich stehe in deiner Schuld.«
»Wirst du noch einmal nach Alcatraz kommen?«
Die Zauberin blickte über die Schulter auf das Gefängnis. Jetzt da sie wusste, dass in den Zellen eine ganze Kollektion von Albträumen wartete, erschien ihr die Insel selbst fast wie ein schlafendes Ungeheuer. »Ja.« Jemand würde etwas gegen die Armee unternehmen müssen, bevor sie erwachte. »Ich werde zurückkommen. Und zwar bald«, versprach sie.
»Ich warte auf dich« , sagte de Ayala und verschwand.
Perenelle lenkte das Boot in Richtung Pier und ging vom Gas. Ein erleichtertes Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Sie war frei.
Niccolò Machiavelli holte tief Luft, um ruhig zu werden. Zorn beeinträchtigte das Urteilsvermögen und er brauchte jetzt einen klaren Kopf. Er hatte die Zauberin unterschätzt und sie hatte ihn für diesen Fehler büßen lassen. Es war unverzeihlich. Man hatte ihn nach Alcatraz geschickt, um Perenelle umzubringen, und er hatte es nicht geschafft. Weder seinem noch Dees Gebieter würde das gefallen. Allerdings hatte er so das Gefühl, Dee selbst wäre nicht allzu traurig darüber. Der dunkle Magier würde sich wahrscheinlich diebisch freuen.
Machiavelli fürchtete die Zauberin zwar, hätte es aber dennoch mit ihr aufgenommen. Er hatte ihr nie verziehen, dass sie ihn auf dem Ätna besiegt hatte, und im Lauf der Jahrhunderte hatte er ein Vermögen
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