Nicholas Flamel Bd. 3 Die mächtige Zauberin
Schultern.
»Palamedes?«, fragte er barsch und ganz offensichtlich verärgert. »Was hat das zu bedeuten?« Sein Englisch war absolut akzentfrei und er artikulierte jedes Wort auffallend klar und deutlich. Als er die Zwillinge sah, blieb er abrupt stehen. Er zog eine Brille mit extrem großen Gläsern aus einer Brusttasche und setzte sie auf. »Wer sind die Leute?« Dann drehte er sich um und entdeckte Flamel im selben Moment, als dieser ihn sah.
Die beiden Männer reagierten gleichzeitig.
Der Kleine kreischte »Flamel!«, drehte sich um und rannte zur Hütte zurück. Auf den Metallstufen stürzte er und hastete auf allen vieren weiter.
Flamel grunzte etwas in archaischem Französisch, riss Joshs Rucksack auf und zog Clarent aus der Pappröhre. Er hielt das Schwert mit beiden Händen fest und schwang es über seinem Kopf. Die Klinge heulte und sirrte durch die Luft. »Lauft!«, rief er den Zwillingen zu. »Lauft um euer Leben! Wir sind in eine Falle geraten!«
K APITEL E LF
B evor Sophie oder Josh reagieren konnten, trat Palamedes hinter den Alchemysten und legte ihm seine Pranken auf die Schultern. Die Auren der beiden Unsterblichen loderten auf und knisterten; das leuchtende Grün des Alchemysten vermischte sich mit dem dunkleren Olivton des Ritters. Der stechende Geruch nach Metall und Gummi, der über dem Autofriedhof lag, war plötzlich durchdrungen von frischer Minze und dem wärmenden Duft der Gewürznelke. Flamel versuchte, mit Clarent auszuholen, doch der Ritter verstärkte seinen Griff und zwang den Alchemysten auf die Knie. Als seine Finger sich in Flamels Fleisch bohrten und Nerven abdrückten, musste der das Schwert fallen lassen.
Sophie spreizte die Finger ihrer rechten Hand und wollte das Element Feuer herbeirufen, doch Josh packte ihren Arm und zog ihn herunter. »Nein!«
Im selben Moment kam das Hunderudel unter der Hütte hervor und strich um sie herum. Die Tiere bewegten sich vollkommen lautlos mit hochgezogenen Lefzen, sodass ihre furchterregenden gelben Zähne zu sehen waren. Aus ihrem Maul hingen Zungen, die gespalten waren wie die von Schlangen.
»Nicht bewegen«, flüsterte Josh und drückte die Hand seiner Schwester. Die Hunde waren so nah herangekommen, dass er ihre Augen sehen konnte; sie waren durch und durch rot ohne eine Spur von Weiß oder eine Pupille. Kiefer klackten aufeinander und er spürte feuchte Lefzen an seinen Fingern vorbeistreichen. Die Tiere verströmten einen muffig-modrigen Geruch wie Laub, das verrottet. Die Hunde waren zwar nicht groß, aber unglaublich kräftig. Einer drückte sich an Joshs Beine, sodass der Junge in Sophie hineinstolperte. Die Auren der Zwillinge sprühten Funken und der Hund taumelte mit aufgestelltem Fell davon.
»Es reicht!« Palamedes’ Stimme dröhnte laut über den Schrottplatz. »Das ist keine Falle.« Der Ritter stand über Nicholas gebeugt, hatte die großen Hände immer noch auf seinen Schultern und drückte ihn auf den Boden. »Ich mag zwar nicht zu deinen Verbündeten gehören, Alchemyst«, grollte er, »aber ich bin auch nicht dein Feind. Mir ist nur meine Ehre geblieben, und ich habe meinem Freund Saint-Germain versprochen, dass ich mich um euch kümmere. Sein Vertrauen werde ich nicht missbrauchen.«
Flamel versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, doch gegen Palamedes hatte er keine Chance. Die Aura des Alchemysten knisterte, loderte auf und erlosch zischend wieder. Erschöpft sank er in sich zusammen.
»Glaubst du mir?«, fragte Palamedes.
Flamel nickte. »Ich glaube dir – aber warum ist er hier?« Seine Miene spiegelte tiefste Verachtung, als er den Kopf hob und zu dem schmächtigen Mann hinüberschaute, der sich in der Hütte in Sicherheit gebracht hatte und hinter der Tür hervorlugte.
»Er wohnt hier«, antwortete Palamedes sachlich.
»Hier! Aber er ist – «
»Mein Freund«, unterbrach ihn der Ritter. »Es hat sich viel geändert.« Palamedes löste seinen Griff, fasste Flamel unter den Achseln und stellte ihn auf die Beine. Er drehte ihn herum und strich ihm die zerknautschte Lederjacke glatt. Dann knurrte er ein Wort in einer unverständlichen Sprache, und die Hunde, die um die Zwillinge herumstrichen, zogen sich wieder in den Schutz der Hütte zurück.
Josh blickte hinunter auf das Schwert, das am Boden lag, und überlegte, ob er wohl schnell genug war, um es aufzuheben. Als er aufsah, stellte er fest, dass Palamedes ihn beobachtete.
Der Ritter lächelte, und seine weißen Zähne blitzten, als er
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