Nicholas Flamel Bd. 4 Der unheimliche Geisterrufer
sitzen, hätte viel mehr Spaß gemacht. Er liebte Träume, in denen er flog.
»Wie macht er das?«, wisperte Sophie. »Ist er wach oder schläft er?«
Flamel beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte das Kinn in die Hände. Konzentriert betrachtete er das Bild, das über dem Schädel in der Luft stand. »Bis zu einem gewissen Grad ist er sich wohl bewusst, was geschieht, doch irgendetwas hat von ihm Besitz ergriffen. Ich glaube, etwas – jemand – hat ihn gerufen.«
Prometheus beäugte den Schädel mit offensichtlichem Abscheu. »Wenn ich gewusst hätte, dass ihr dieses grässliche Ding dabeihabt, hätte ich euch nicht erlaubt, es mit in dieses Schattenreich zu bringen. Meine Schwester hat einen Großteil ihres Lebens darauf verwandt, diese Spielzeuge der Archone zu zerstören, und hat dabei das gesamte Familienvermögen durchgebracht.«
Nicholas sah Perenelle kurz von der Seite an, bevor er zu Prometheus aufblickte. »Archone? Ich dachte, es ginge hier um Wesen des Älteren Geschlechts?«
Prometheus ignorierte die Frage und konzentrierte sich ganz auf das vollständige, dreidimensionale Bild in der Luft. »Wir könnten ihn wahrscheinlich so erschrecken, dass er aufwacht.«
»Nein!«, rief Sophie sofort. Ihr Instinkt warnte sie, dass dies falsch wäre.
»Nein«, sagte auch Aoife. »Er könnte die Kontrolle über den Wagen verlieren.«
»Dann lehnen wir uns also zurück und warten, bis er sein Ziel erreicht hat?«, fragte Prometheus.
»Wenn ihr mich fragt«, meinte Perenelle, ohne den Blick von dem schwebenden Bild zu lösen, »ist es unsere oberste Pflicht, dafür zu sorgen, dass er sein Ziel sicher erreicht. Wenn er einen Unfall baut, könnte er schwer verletzt werden oder gar sterben. Sophie!« Der Ton der Zauberin wurde weicher. »Konzentriere dich auf deinen Bruder, sieh zu, dass er sich aufs Fahren konzentriert.«
»Wie denn?«, fragte Sophie verzweifelt. Es kostete sie alle Mühe, nicht in Panik zu geraten. »Wie soll ich das denn machen? «
Perenelle wandte sich ratlos an Nicholas, doch der schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung«, gab sie zu. »Lass einfach nicht zu, dass er irgendwelchen Unsinn macht.«
»Wir reden hier von Josh«, murmelte Sophie. »Der verzapft doch ständig irgendwelchen Unsinn.« Und immer dann, wenn sie nicht dabei war.
Josh überlegte, ob er nicht einmal richtig schnell fahren sollte.
Dieser Abschnitt der Küstenstraße war relativ gerade und der Nebel hatte sich etwas gelichtet. Er könnte das Gaspedal durchdrücken und die Straße entlangbrettern.
Das wäre Sophie nicht recht.
Der Gedanke kam ihm, als sein Fuß bereits aufs Gaspedal drückte.
Moment mal. Er träumte doch.
Das wäre Sophie nicht recht.
Langsam nahm er den Fuß vom Gas und schüttelte den Kopf. Selbst in seinen Träumen versuchte sie noch, den Boss zu spielen!
Die Gruppe saß nun schon über eineinhalb Stunden um den Tisch herum und Sophie zitterte vor Müdigkeit.
Aoife stand hinter ihr, beide Hände auf ihren Schultern, und ließ Kraft in sie einströmen, doch Sophies silberne Aura war inzwischen von fast demselben matten Grau wie die der Kriegerin, und die Bilder über dem Schädel waren verblasst und fast durchsichtig.
»Ich weiß nicht … wie lange … ich das noch aushalte«, flüsterte Sophie. Sie hatte pochende Kopfschmerzen, ihre verspannten Schultern taten entsetzlich weh und der Schmerz zog sich die ganze Wirbelsäule hinunter.
»Wo ist er jetzt?«, fragte Flamel. Er versuchte, aus den Bildern schlau zu werden, aus den kurzen Eindrücken von Straßen und markanten Bauwerken.
Niten beugte sich über Aoifes Schulter und studierte das flackernde Farbbild mit zusammengekniffenen Augen. »Er biegt von der Van Ness Avenue auf die Bay Street ab.«
Perenelle blickte zu Prometheus auf. »Zu wem fährt er? Es gibt doch bestimmt irgendwelche dunklen Älteren in San Francisco.«
»Mehrere«, bestätigte Prometheus sachlich. »Quetzalcoatl, die Gefiederte Schlange, hat ein Haus in der Stadt, aber das wäre zu raffiniert für ihn. Eris lebt ebenfalls dort. Sie hat sich früher in Haight-Ashbury herumgetrieben und hat da auch noch ein Apartment, aber ihre besten Tage sind vorbei. Sie besitzt nicht mehr die Kraft, die dazu nötig ist.« Prometheus beugte sich plötzlich vor. »Sophie, kannst du auf irgendeine Art und Weise Einfluss auf deinen Bruder nehmen?«
Sie sah ihn nur mit müden Augen an.
»Kannst du ihn dazu bringen, dass er sich umdreht oder
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